Ausgesandt sein 1. Lesung: Ex 19,2-6a | 2. Lesung: Röm 5,6-11| Evangelium: Mt 9,36-10,8
Dem Evangelium voraus gehen viele Heilungen. Jesus ist heilend unterwegs: einen Besessenen, einen Gelähmten, einen Blinden, ein Mädchen und eine Frau, einen Stummen heilt er. Er zieht lehrend durch die Städte und Dörfer. Er sieht die vielen Menschen. Es überkommt ihn Mitleid ob der Not. Die Menschen waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Für das biblische Ohr wird die Kritik der Propheten Jesaja (Jes 40,11) und Ezechiel (Ez 34,12) aufgegriffen, bei denen Gott die Aufgabe des Hirte-Seins übernimmt, weil die Hirten des Volkes, die religiösen und politischen Verantwortlichen auslassen. Sie kümmern sich um das eigene Wohl und nicht um die leidgeprüften Menschen.
Ein Wort Jesu dazu: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Ich denke, es gilt einem Missverständnis vorzubeugen. Mit „großer Ernte“ spricht Jesus die Aufgabe an, diese Menschen in Not aufzufangen: heilend, tröstend, stärkend, versöhnend … bei diesen Menschen zu wirken. Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden. Jesus wählt dann zwölf aus, denen er die Vollmacht gibt, die unreinen Geister auszutreiben, Krankheiten und Leiden zu heilen.
Jesus wählt zwölf Apostel aus – Ausgesandte. Die Zahl zwölf steht für das ganze Volk. Es sind gerade nicht nur die Männer gemeint, sondern alle: Frauen und Männer, Junge und Erwachsene. Sie sind mit Namen genannt. Jede und jeder soll sich angesprochen wissen. Ja, du bist von Jesus gerufen und gesandt. Du hast die Vollmacht zu trösten, zu heilen, Dämonen auszutreiben, zu versöhnen, zu stärken und aufzurichten. Das ist nicht die Aufgabe von wenigen Auserwählten. Die Zahl zwölf heißt nichts anderes als, dass es der Auftrag aller ist.
Mein Verdacht ist es, wenn wir die zwölf Namen der ausgewählten Apostel hören, dass wir sie mit frommen Männern verbinden. Es täuscht. Es ist eine völlig inhomogene Gruppe. Es sind darunter Fischer, Schriftgelehrte, Zöllner und Zeloten; heute würde man sie als Terroristen bezeichnen. Simon und Judas stammen aus diesen Kreisen. Sie trugen ständig ein Schwert bei sich. Jesus hat hier eine Gruppe von Männern ausgewählt, mit denen er ein neues Miteinander begonnen hat. Es soll ein Volk sein, in dem die Gegensätze Platz haben. Ein solches Miteinander ist natürlich eine Herausforderung und gilt es zu lernen. Wir lesen und hören öfters, dass Jesus mit ihnen Gespräche führt. Sie hatten das natürlich notwendig. Ich werde noch öfter darauf eingehen.
Bei der Aufzählung der zwölf Apostel fällt auf, dass bei Judas angeführt ist: Er habe Jesus ausgeliefert oder wie wir es auch kennen: Er habe Jesus verraten. Es ist eine vorweggenommene Auskunft. Es tritt ja erst viel später ein. Diese frühe Erwähnung des Evangelisten dürfte aber deutlich machen, wie sehr der Verrat die junge Gemeinde beschäftigte. Jesus hat einen Apostel ausgewählt, der ihn verrät. Es wirft Fragen auf: War Jesus ein schlechter Menschenkenner? Welche Rolle hatte dieser Judas? Was ist das für ein Schicksal?
Es ist ein dunkles Kapitel. Die Bibel verschweigt es nicht. Sie benennt es, aber ohne zu urteilen oder zu verurteilen. Vermutlich benennt es die Bibel auch deshalb, weil sie darum weiß, dass der Verrat an der Botschaft immer wieder gegeben sein wird. Das Element des Verrats an der Botschaft begleitet uns. Es gibt den Missbrauch. Es gibt den Verrat am Evangelium von Amtsträgern, pastoralen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, Gemeindemitgliedern. Niemand ist gefeit, selbst das Evangelium zu verraten. Und dennoch gilt: Es sind Menschen, die berufen sind und denen Vollmacht gegeben ist, heilsam zu wirken, das Reich Gottes zu verkünden, Dämonen auszutreiben.
Einen letzten Punkt möchte ich noch hervorheben: Jesus sendet die Ausgewählten aus und gebietet ihnen: Geht nicht den Weg zu den Heiden und betretet keine Stadt der Samariter, sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel!
Es ist praktisch die Aussendung zu den eigenen Leuten, zur jüdischen Bevölkerung. Beim Evangelisten gibt es eine Weiterentwicklung, denn am Ende des Evangeliums spricht der Auferstandene zu den Jüngern: „Mir ist alle Vollmacht gegen im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie … und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,18-20).
Die Adressaten der Botschaft sind am Ende alle Völker – Samariter und Heiden eingeschlossen. Es ist der Auftrag des Auferstandenen, sich allen zuzuwenden und alle zu Jüngern zu machen. Ich kenne unsere Gemeinde noch zu wenig. Vielleicht braucht sie aber in ähnlicher Weise wie die des Matthäus, diese Weiterentwicklung der Hinwendung zu den Menschen draußen. Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die wachsam sind für Nöte der Menschen, Hilfen organisieren, vielleicht manchmal nur Zeit schenken und zuhören.
Ein wichtiges Element sei dabei, Menschen in Not nicht zu beschämen. Franz v. Assisi kann uns ein Vorbild sein. Er schämte sich, wenn ihm ein Mensch begegnete, der ärmer war als er selbst bzw. jemand ein noch ärmeres Kleid trug als er anhatte. Es braucht eine respektvolle Sprache. Es braucht ein rücksichtsvolles, bescheidenes Agieren. In dieser Weise zu agieren ist eine Vollmacht Gottes.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Exodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten: