Dankbares Teilen macht alle satt 1. Lesung: Jes 55,1-3 | 2. Lesung: Röm 8,35.37-39| Evangelium: Mt 14,13-21
Die Bibel ist über weite Strecken eine Untergrundschrift. Texte wurden in Zeiten der Verfolgung und größter Bedrängnis verfasst. Wenn sie in feindliche Hände gelangten, sollten sie möglichst weder dem Leser noch dem Verfasser zum Problem werden. Das Evangelium dieses Sonntags gilt es vor diesem Hintergrund zu deuten:
Es macht etwas mit Menschen, wenn jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis ermordet wird. Es ist nur eine Feststellung: Jesus erreicht die Nachricht, dass Johannes enthauptet wird. Er begann ursprünglich aufzutreten, als dieser ins Gefängnis kam. Nun wurde er ermordet.
Die politische Gewalt und Willkür macht zu schaffen. Es ist nur zu verständlich, dass Jesus sich zurückziehen will, um das Ereignis zu verarbeiten. Die Volksscharen hören davon und sie suchen ihn. Jesus ändert seinen Plan. Er hat Mitleid, so heißt es. Es muss mitbedacht werden, dass über 90% am Existenzminimum lebten, entweder knapp darüber oder darunter. Armut macht Menschen krank und lässt sie an unterschiedlichen Krankheiten leiden.
Jesus hatte Mitleid und heilte ihre Kranken; von Krankheiten, die vor allem Folge von Armut, Elend und Existenzängsten waren.
Es folgt dann ein Reflex der Jünger und Jüngerinnen, der – man könnte meinen – bis heute latent präsent ist und dem Jesus eine Absage erteilt. Es wird Abend und die Jünger wollen die Leute in die Dörfer nach Hause schicken, weil sie vielleicht selbst Hunger haben und selbiges bei den Menschen vermuten. Sie sollen dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind. Ein uns vermutlich bekannter Reflex.
Jesus widerspricht und sagt: Sie brauchen nicht wegzugehen. Gebt ihr ihnen zu essen. Ihr Einwand: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische. Was sind das für so viele? Wir wissen, wie es weiter geht. Es bleiben zwölf Körbe übrig. Die Zahl „zwölf“ steht im Zusammenhang mit Himmel, mit Vollendung des Reiches Gottes. Der Himmel lässt so viel wachsen, dass es für alle reicht. Das wird zu ihrer überraschenden Erfahrung. Das große Thema bleibt: gelingt das Teilen, das gerechte Teilen?
Die Brotvermehrung ist bei Matthäus Jesu Antwort auf die herrschende politische Gewalt und Willkür bzw. auf die wirtschaftliche Not, in der der Großteil lebte.
Diese Schilderung von der Brotvermehrung liefert einige provokante Anregungen zum Weiterdenken:
Der Reflex: Menschen mit Hunger weg zu schicken. Es gab und gibt ihn in der Kirche. Ein Thema z.B.: Ist er nicht mit geschieden Wiederverheirateten geschehen?
Es ist natürlich immer wieder ein politisches Thema: Der Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Es gibt den Einwand – er hat in meinen Augen auch Gewicht – das Thema der Integration, des Miteinanders: Wie kann es gelingen? Was sind Voraussetzungen?
Es ist die Brotvermehrung, die uns einen wertvollen Hinweis liefert. Jesus ließ die Menschen ins grüne Gras sitzen. In anderen Evangelien ist die Rede davon, dass er sie in Gruppen zusammen sitzen lässt. Und wir kennen die Praxis Jesu selbst, dass er oft mit Menschen am Tisch saß. In der vergangenen Woche gab Arnold Mettnitzer, Psychotherapeut und ehemaliger Priester, im ORF einen Impuls bei dem er darauf hinwies, dass die Kirche sehr das Bild „Jesus und das Kreuz“ gepflegt hat und ein anderes Bild, das in den Evangelien ebenso wichtig ist „Jesus und der Tisch“ vernachlässigte.
Jesus versammelt Menschen am Tisch. Er führt Gespräche, oft auch Streitgespräche. Er diskutiert, lehrt und lernt, tauscht sich aus. Am Tisch kommen die Menschen einander nahe, lernen sich verstehen, lernen das Leben miteinander zu bewältigen.
Jesus und der Tisch. Möglicherweise leitet uns die Pandemie an, in deren Folge größere Zusammenkünfte nur erschwert möglich sind, den Tisch in den Häusern als Weg der Pastoral auf neue Weise zu entdecken und zu pflegen? Wir leben mit der Zusage: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen. Er wird vor allem an jenen Tischen Gast sein, die den Rahmen der Familie sprengen.
Wir feiern es immer wieder in unseren sonntäglichen Gottesdiensten: Dankbares Teilen macht alle satt. Mir scheint allerdings, dass unsere Gesellschaft und nicht zuletzt die Kinder mit einer völlig anderen Mentalität versorgt werden: Bestehen im Konkurrenzkampf; besser als andere sein; viel Wissen sichert die Zukunft; Gott möge das menschliche Treiben und Tun nicht stören. Sprich: Religion und Glaube sind zu vernachlässigen.
Die Brotvermehrung zeigt zugleich auf, dass Jesus die Lösung ihrer Herausforderung nicht einfach auf andere abschiebt, etwa auf die Politik oder andere Autoritäten. Er nimmt die Anwesenden in die Verantwortung. Der Zusammenhalt der Anwesenden – ihr Teilen – macht es möglich, dass alle satt werden. Die Gefahr ist, dass Menschen in Not vereinsamen bzw. allein gelassen werden. Jesus ermutigt zum gemeinsamen Handeln.
Die Brotvermehrung ist letztlich die Antwort Jesu auf eine herausfordernde Krise, die mit der Ermordung Johannes d.T. beginnt. Sie bietet in meinen Augen auch wertvolle Inspirationen für den Umgang mit der gegenwärtigen Pandemie.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesaja anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Römer anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Dankbares Teilen macht alle satt 1. Lesung: Jes 55,1-3 | 2. Lesung: Röm 8,35.37-39| Evangelium: Mt 14,13-21”
Lieber Pfarrer Blum! Danke für ihre Predigt, die mich inspiriert. Meiner Meinung nach ist das Gewicht, das die katholische Kirche auf Jesus und das Kreuz legt, so übermächtig, dass es viele erdrückt. “Jesus und der Tisch” wird oft auch nur als Jesus, der sich am Altar uns als “der Leib und das Blut Christi” dargibt verstanden. “Jesus und der Mensch” – sein Kommunizieren mit jedem einzelnen Menschen und mit Menschengruppen war vor 2000 Jahren Jesu Alltag und auch wir brauchen dies im Alltag. Jemand der zuhört und Antwort gibt, der lehrt und gemeinsame Erfahrungen schenkt, ist Not wendend. Brot für andere durch sein Wort, ist Jesus für Mann, Frau und Kind und jede Frau, jeder Mann und jedes Kind kann Brot sein für andere durch Wort und Tat. Sehen was Menschen berührt, was sie an Zuwendung brauchen, ob für den Körper oder für die Seele, das hat Jesus vorgelebt und dies will er auch heute. “Gebt ihr ihnen zu essen!” Wort Gottes und unser Brot teilen, ist heute notwendiger den je.