Ein Glaube aus Fleisch und Blut 1. Lesung: Dtn 8,2-3.14b-16a | 2. Lesung: 1 Kor 10,16-17 | Evangelium: Joh 6,51-56
Sein Fleisch essen, sein Blut trinken. Es sind für unsere Ohren sperrige Worte, sperrige Texte. Schon damals, als Johannes sein Evangelium niederschrieb, galten sie als provokativ. Jemandes Fleisch essen oder jemandes Blut trinken – ist diese Vorstellung nicht absurd, abartig oder sogar ekelerregend? Die Frage: Um welche Provokation geht es dem Evangelisten? Wozu fordert er heraus?
Dass es mit Menschenfleisch und -blut nichts unmittelbar zu tun hat, dürfte klar sein. Einem solchen Missverständnis sei vorgebeugt. Wir kennen aber das Phänomen, den Glauben in die Sphäre des Geistigen abheben zu lassen. Gott als gute, hilfreiche Idee zu haben und zu pflegen; einen Glauben ohne Fleisch und Blut zu leben; ein Glaube, der nicht aneckt, sich und andere schont; ein Glaube, der nicht an die Lebenswelt, an die Realität rührt oder der in einer Welt wohnt, die vom Glauben streng getrennt ist und wird. Er soll die Lebensweise, den Lebensstil nicht stören.
Es ist ein Glaube, der es meidet, schmutzige Hände zu bekommen, der keine Verantwortung übernimmt, keine Fehler riskiert, sich zurückzieht, wenn Nachteile entstehen könnten.
Das Fest Fronleichnam mit dem Evangelium setzt einen Kontrapunkt. Es lädt zu einem Glauben ein – und feiert ihn – , der Fleisch und Blut wird, der die Welt gestaltet, der sich auf die Welt mit ihren Herausforderungen, Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten einlässt und nicht an ihr vorbei geht; der die Welt wandelt und verwandelt; ein Glaube, der vor allem große Aufmerksamkeit den verwundeten Menschen und der verwundeten Schöpfung entgegen bringt.
Wir feiern heute den Gottesdienst in und vor dieser wunderbaren Landschaft: der Binnensee, die Parkanlage mit den Spazierwegen, der Hafen, die Boote, das Strandbad, der Blick hinüber an das deutsche Ufer.
Hier soll der Glaube Fleisch und Blut werden. Es erinnert mich an ein Zeichen, das der Kölner Erzbischof vor vier Jahren gesetzt hatte. Am Fronleichnamsfest hatte er ein Flüchtlingsboot als Altar verwendet. Dazu die Frage an die Menschen gerichtet – in Anlehnung an den Kirchenvater Cyrill von Jerusalem: „Wie können wir den geistlichen Tisch des Herrn bereiten, wenn wir den Armen ihre Speise vorenthalten?“
Es war ein Zeichen inmitten der Migrationsdebatte, Anschlägen auf Flüchtlingsheime und vielen, die auf ihrer Flucht übers Mittelmeer das Leben verloren. Wir sehen hier viele Boote und Segelschiffe. Sind sie Rettungsboote? Kann der Glaube sie in solche (ver)wandeln? Ein Glaube aus Fleisch und Blut?
Wir haben nicht mehr unmittelbar das Migrationsthema, das in den Medien die Schlagzeilen füllt – zum Glück. Wobei noch nicht alle Fragen geklärt sind. Das Virus Corona fordert uns auf neue Weise und dies wird vermutlich über einen längeren Zeitraum bleiben. Es wird ein neues Denken und eine neue Solidarität erfordern; ein dankbares Teilen; einen Glauben aus Fleisch und Blut, der vor allem jene in den Blick nimmt, die sich selbst nicht helfen werden können, die in ihrer Situation überhört, übersehen oder überfordert sind.
In vielen Gemeinden ist heute die Fronleichnamsprozession. Es sind Protestmärsche. Sie setzen ein Zeichen, wie wir als Christen die Welt mitgestalten oder auch umgestalten wollen: mit dankbar geteiltem Brot. Diesem Weg wissen wir uns verpflichtet. Wir bitten heute Gott, dass er uns mit seinen Gaben wandle, er uns mit seinem Fleisch und Blut stärke, damit unser Glaube in der Welt Fleisch und Blut werde.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Deuteronomium anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Korinther anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Ein Glaube aus Fleisch und Blut 1. Lesung: Dtn 8,2-3.14b-16a | 2. Lesung: 1 Kor 10,16-17 | Evangelium: Joh 6,51-56”
Lieber Erich! Danke für deine Gedanken zum heutigen Fest! Deine Überlegungen zu Fleisch und Blut habe ich so noch nie in einer Predigt gehört! Sie regen zum Nachdenken an! Danke und freundliche Grüße Maria