Gottes Antlitz in den Geringsten 1. Lesung: Ex 34,4b.5-6.8-9 | 2. Lesung: 2 Kor 13,11-13| Evangelium: Joh 3,16-18
Die Gottesbilder prägen das Leben und sind vor allem die Triebfeder für das konkrete Handeln. Sie prägen die Gesellschaft, das Wirtschaften und die politische Landschaft. Das Festgeheimnis des dreifaltigen Gottes ist daher mehr als ein frommes Binnenfest der Christen, es bildet vielmehr ein gesellschaftlich-politisches Korrektiv. Dazu die Gedanken:
Die Bibel stellt am Beginn Gott als schöpferische Kraft vor. Aus dem Chaos schafft er eine belebbare Welt. Er ordnet das Geschaffene. Er ordnet ebenso die Beziehungen: die Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf, die Beziehungen unter den Geschöpfen, die Beziehungen unter den Menschen. Alles bekommt einen Namen und den je eigenen Platz. Jeder Mensch ist sein Ab- und Ebenbild. Das ist eine Absage an jeden Rassismus, jedes Elitedenken und jede Diskriminierung. Die Würde der Menschen gründet in Gott und ist daher unantastbar. Wer die Bibel aufschlägt und liest, findet es gleich am Beginn. Nicht aber wenn sie jemand nur von außen anschaut und mag er sie noch so hoch halten, wie er kann.
In besonderer Weise erwähnenswert finde ich die erste Sorge Gottes; es ist zugleich die erste wörtliche Rede Gottes: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt!“ (Gen 2,16). Der Mensch verwirklicht sich im Leben und Erleben von Beziehungen. Er verkümmert ohne Beziehungen. Wir sind darin Ab- und Ebenbild des dreifaltigen Gottes, dessen Wesen ja Beziehung ist. Zu einem geglückten Leben zählen gute Beziehungen. Wir wissen wie verletzlich und gefährdet sie sein können. Gott offenbart sich als einer, dem am Gelingen der Beziehungen liegt und alles dafür gibt.
In der Vorstellung des biblischen Menschen gibt es keinen gottlosen Menschen. Niemand wird Gott los. Gott hat eine Beziehung zu jedem Menschen. Selbst der Atheist, Agnostiker oder wie sie immer heißen mögen, bezieht das Leben zu einer letzten Instanz. In dieser letzten Instanz, die das Entscheiden eines Menschen bestimmt, wird der Bezug zu Götzen oder zum lebendigen Gott sichtbar. Die Götzen spalten, grenzen aus, schüren Hass, ziehen eine Spur des Todes nach sich. Menschen, die aus dem Wesen des lebendigen Gottes leben, heilen, trösten, stärken, richten auf, suchen das Gemeinsame.
Die Bibel entlarvt die heimlichen Götzen, denen es nicht um die Würde, um Freiheit, um Recht und Gerechtigkeit, um Solidarität oder Menschlichkeit geht. Götzen können auch unter dem Anschein des Religiösen und besonderer Frömmigkeit auftauchen: als Aufpasser, Moralist, Kleingeist oder was es sein mag.
Beim ersten Auftritt Jesu in der Synagoge in Kafarnaum räumt Jesus mit der Vorstellung auf, dass Gott mit Verderben in Zusammenhang gebracht wird. Aufs Schärfste weißt Jesus das zurück (Mk 1,21-28). Solches geht von einem unreinen Geist aus. Was wir heute als Evangelium gehört haben, verstärkt diesen Gedanken: Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
Wenn wir heute den dreifaltigen Gott feiern, dann ehren wir den rettenden Gott. Sein rettendes Dasein gilt allen Menschen, nicht nur Auserwählten oder Wenigen. Die Welt zu retten ist er gekommen. Den dreifaltigen Gott verehren und feiern meint daher, an seinem Leben, an seiner Beziehung teilzunehmen, d.h. sich auf sein rettendes Handeln einzulassen, dieses Anliegen „die Welt zu retten“ mit ihm zu teilen. Es ist ein Retten aus Angst, Not, Armut, Beziehungslosigkeit, Krankheit…
Gott ist dreifaltig. Er ist Beziehung. Das heißt, eine Gesellschaft ist dann stark und findet nachhaltige, tragfähige Lösungen, wenn in ihr das Gemeinsame zum Tragen kommt. Egoismen, elitäres Denken, jede Art von Abschottung – sei es im Großen wie im Kleinen – schwächt das Gemeinwohl. Da geht das Herz – das Göttliche – verloren. Es ist eine Mut und Hoffnung gebende Ansage: Wir wollen alle mitnehmen und niemanden zurück lassen. Sie wird nur hoffnungsvoll bleiben, wenn sie nicht an den Grenzen von Interessensgruppen oder Grenzen von Ländern endet. Gottes Absicht ist die Welt zu retten, nicht nur einzelne oder wenige.
Von einer anderen Seite möchte ich einen Zugang zu unserem dreifaltigen Gott erschließen und dazu ein Dokument dieses Gottesglaubens aus der frühen Kirche heranziehen. Es ist ein Abschnitt aus dem Johannesbrief. Es heißt da: „Wir kennen Gott nicht … keiner hat ihn je gesehen“ (1 Joh 4,12). In einem Brief aus einer Welt, in der es selbstverständlich war, an Götter zu glauben und „Gott zu kennen“. Christlich fängt alles mit dieser Ernüchterung an: „Wir kennen Gott nicht …“ Unsere Vorstellungen von ihm gehen fehl, meist sind es eher Einbildungen unserer Armut und Sehnsucht, unserer religiösen Projektionen. Johannes setzt fort: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt“ (1 Joh 4,8). Wer nicht liebt, bekommt den nicht zu Gesicht, den Johannes Gott nennt.
Wie diese Liebe zu verstehen ist, erhält ihr Profil durch Jesus. Durch das Zusammentreffen mit Jesus konnten Menschen zu sprechen beginnen, die durch Angst und Isolierung verstummt waren; dank seiner Güte konnten sie von ihrer Ichverhärtung lassen; sie wussten sich akzeptiert und konnten viel loslassen. In seinem Verhalten erkannten sie, dass Jesus in einer besonderen Beziehung zu einem besonderen Gott stand und dass sein Gott mit dem Menschen ist: Gott erscheint als Beziehung zu diesem Menschen, als sein unerschöpfliches Reservoir an Güte und Bejahung des anderen. „Ich und der Vater sind eins“, sagt Jesus im Johannesevangelium. Gott ist das absolute Gegenteil von Ichverfangenheit.
Am Ende des Matthäusevangeliums hören wir Jesus sagen: Was ihr einer meiner geringsten Schwester oder einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40.45). Der dreifaltige Gott zeigt sich gerade im Antlitz der Geringen, der Schwachen und Verachteten. Mit anderen Worten: Wen Elend und Not von Menschen nicht berühren, bleibt unberührt vom Gott der Bibel.
Das Festgeheimnis dieses Sonntags war und ist ein prophetisches Korrektiv: Der dreifaltige Gott steht für Solidarität statt Konkurrenz, für Beziehung statt Isolation, für herrschaftsfreie statt angstbesetzte Kommunikation. Wir feiern Gott, der uns in gelingende Beziehungen hinein liebt.
Wenn Sie den Text aus dem Buch Exodus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem zweiten Brief des Apostel Paulus an die Korinther anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Gottes Antlitz in den Geringsten 1. Lesung: Ex 34,4b.5-6.8-9 | 2. Lesung: 2 Kor 13,11-13| Evangelium: Joh 3,16-18”
Lieber Erich,
irgendwie scheue ich mich davor, wenn ich daran denke, dass ich auf die Frage der Dreifaltigkeit antworten soll. Da fällt mir “nur” der Satz ein, den ich vor Jahren einmal gehört hatte, wo es hieß, dass der heilige Geist die Liebe zwischen Vater und Sohn ist und dass durch diese Liebe sich die Dreifaltigkeit zu einem Sein verschmelzen. Ist diese Erklärung verständnisvoll genug? Zum Beispiel, wenn uns ein(e) Muslim(a) danach fragen würde?