Frei von Anklage 1. Lesung: Jes 66,10-14c |2. Lesung: Gal 6,14-18|Evangelium: Lk 10,1-12.17-20
Jesus hat sich entschieden auf Jerusalem zuzugehen. Wie er dabei auf dem Weg ist, dazu gibt uns das Evangelium einen Einblick. Auf zwei Aspekte seines Unterwegsseins möchte näher eingehen: 1. Die Verkündigung des Reiches Gottes und 2. Die Vision Jesu vom Sturz des Satans.
Wir hörten letzten Sonntag davon, dass sich Jesus auf den Weg nach Jerusalem macht im Wissen, dass sich sein Konflikt zuspitzt. Er schickt Jünger voraus. Da kommen zwei mit der Kunde zurück, dass sie in einem Dorf der Samariter keine Aufnahme fanden. Sie sind gekränkt und fragen Jesus, ob sie nicht Feuer auf die Stadt erbeten sollen. Jesus wies sie zurecht. Nein, kein Feuer, keine Gewalt, keine Zerstörung, sondern seine Antwort lautet: dann gehen wir in ein anderes Dorf. Und gleichzeitig macht er die Mitgehenden darauf aufmerksam, dass der Weg kein leichter sein wird. Im Gegenteil: Er fordert.
Was dann folgt, gleicht einer Mobilmachung besonderer Art. Es gilt sich nochmals bewusst zu machen, dass die Spannungen im Volk groß sind, die Besatzer großen politischen Druck ausüben, aufgrund der Armut viel Not und Elend herrschen und sich der religiöse Konflikt unter den verschiedenen Gruppen verschärft. Jesus sucht 72 Personen, die er aussenden kann. Es fällt zunächst die hohe Zahl von 72 auf und sie sollen in alle Städte und Ortschaften vorausgehen, in die er selbst gehen wollte.
Allein mit der hohen Zahl wird angedeutet, dass die Botschaft alle erreichen soll, nicht ein kleiner Zirkel, eine Elite oder nur Freunde. Es gab ja kein Radio oder Fernsehen, um Menschen zu erreichen. Mit 72 ausgewählten Personen, die im Land auf- und abgehen, kann Stimmung gemacht werden, da kann etwas in Bewegung kommen, das hat das Potential einer Kampagne.
Als Rüstung gibt ihnen Jesus keinen Schild und keine Schwerter mit, sondern sendet sie wie Schafe mitten unter die Wölfe. Er setzt in dieser angespannten Situation auf Gewaltlosigkeit. Es folgen weitere Anweisungen, wie die 72 ihr zugehen auf Menschen gestalten sollen. Darauf gehe ich jetzt nicht näher ein.
Näher zu betrachten gilt es die Botschaft mit der die Ausgesandten zu den Menschen gehen sollen, nämlich: Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt zu ihnen: Das Reich Gottes ist euch nahe. Es geht um die Deutung der Gegenwart. Sie leben in einer schwierigen, angespannten Situation. Es gab Gruppen, die sahen die Ursachen im Glaubensabfall, im Missachten der Thora, in einer Strafe Gottes.
Jesus deutet die Zeit anders: Das Reich Gottes ist euch nahe. Ihr dürft gerade jetzt mit dem sich euch zuwendenden Gott rechnen. Heilt die Kranken. Darunter dürfen wir Vielfältiges verstehen: Heilt jene, die von Hass gefangen sind. Heilt jene, die für jede Liebe blind geworden sind. Heilt die Menschen von ihrer Angst. Heilt die Menschen von ihrer existentiellen Not. Heilt die Menschen vor Vergeltung und Rache.
Wer in ein solches heilsame Tun einsteigt, muss damit rechnen, dass er sich wie ein Schaf unter Wölfen erlebt. Es wird Ablehnung, Anfeindungen, Drohungen u.a. geben. Und hier kommt nochmals der besondere Geist Jesu zum Tragen. Selbst wenn ihr Ablehnung und Anfeindungen – mag es in schlimmster Art sein – erlebt, lasst euch nicht hinunterziehen. Haltet daran fest, dass das Reich Gottes nahe ist. Die Zuwendung Gottes bleibt aufrecht trotz Verweigerungen oder Kränkungen, denen ihr begegnen werdet.
Auf einen zweiten Aspekt des Evangeliums möchte ich eingehen, auf die Vision Jesu: Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen. Es gibt Exegeten wie Prof. Georg Baudler, die halten diese Vision Jesu für eine Schlüsselstelle zum Verständnis des Lukasevangeliums. Jesus sieht den Satan wie ein Blitz aus dem Himmel fallen. Mit Satan ist der „Ankläger“ vor Gott gemeint. Er, der dem Menschen weiß machen will, dass er vor Gott nicht bestehen kann.
Mit dieser Vision deutet Lukas den Himmel als Ort, der frei von jeder Anklage und jeder Klägerin oder jedem Kläger ist. Der Himmel als der Ort, der mich Sein lässt, an dem ich ganz und gar angenommen bin.
Jesus sendet die 72 im Hinblick auf diesen Himmel aus. Es gibt bereits diesen Raum ohne Ankläger. Da sind die Namen bereits verzeichnet. Da ist auch dein und mein Name verzeichnet. Von diesem Ausblick her relativieren sich alle Klagen und Anklagen, die gegen einen Menschen erhoben werden. Von diesem Ausblick her verfalle nicht in Vergeltungs- und Rachedenken.
Mit diesem Ausblick ist auch nicht so entscheidend, welchen Erfolg du hast? Ob dir die Geister gehorchen oder nicht? Ob du viele oder wenige heilst? Ob du viele oder wenige überzeugen kannst? Freu dich vielmehr über dein Ziel: Es ist der Himmel frei von jeder Klage und Anklage.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Galátien anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Frei von Anklage 1. Lesung: Jes 66,10-14c |2. Lesung: Gal 6,14-18|Evangelium: Lk 10,1-12.17-20”
Der Text lässt auch fragen, wann, wo und was ist „Himmel“.
Darauf gibt es die unterschiedlichsten theologischen und persönlichen Vorstellungen.
– Ich denke, Himmel beginnt schon in der Gegenwart und ist ein “Gesamtpaket”.
– Örtlich muss ich ihn in mir und um mich finden, und sei es nur ansatzweise und bruchstückhaft.
– Inhaltlich kann damit nur die liebende Gegenwart Gottes gemeint sein, in der es keinen Kläger oder Beklagten mehr gibt und die Klage über so viele „Warum‘s“ aufhört.
Also Grund zur Freude auch schon hier und jetzt!