
Friede, der Beziehungen ermöglicht 1.Lesung: Apg 2,1-11| 2.Lesung: Röm 8,8-17| Evangelium: Joh 20,19-23
Das „Wochenfest“ (Schawuot) ist ein Erntedankfest und markiert den Abschluss der mit dem Osterfest beginnenden Weizenernte. Dieses Wochenfest erinnert zugleich an die Gabe der Tora an Mose. Mit der Tora, den fünf Büchern des Moses ist der Welt ein neuer Geist geschenkt. Pfingsten ist damit von jeher auch die Feier der Tora, die Feier des Wortes mit einem heiligen, heilsamen Geist.
Wir feiern den Heiligen Geist und geben ihm mit einem zweiten Feiertag ein besonderes Gewicht. Wir haben letzten Samstag mit dem Bischof die Firmung von einundzwanzig jungen Menschen gefeiert, die Herabrufung des Heiligen Geistes. Wir wissen um den Heiligen Geist und haben dennoch oft Mühe, ihn zu fassen oder ihn beschreiben zu können. Sein vielfältiges, oft unscheinbares Wirken erschließen biblische Texte.
Gleich am Beginn der Bibel hören wir: „Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,2). Es ist eine Zusage, dass über dem Tohuwabohu, über dem Chaos der Geist Gottes schwebt. Wenn Menschen Chaos erleben, lässt es Gott nicht kalt. Chaotische Zustände sind keine Zeichen, dass Gott sich verabschiedet hätte, im Gegenteil, es ist Ausdruck, dass es ihn auf den Plan ruft. Der über dem Chaos schwebende Geist ordnet die Welt, alles bekommt einen Platz und einen Namen. Das große Ziel ist schließlich der Sabbat, die Ruhe, das Staunen über alles, was da ist, das Leben im Frieden mit und um Gott.
Vermutlich hat es mit dem Geist Gottes zu tun, wenn wir Mühe mit Chaos oder chaotischen Zuständen haben, wenn es Konflikte gibt oder Menschen sich feindlich gesinnt sind, wenn Not, Elend oder Gewalt Menschen treffen. Es ist eine innere Stimme, eine gegebene Kraft, die sich solchen Situationen entgegenstellt.
In der Lesung haben wir gehört, dass die Jüngerinnen und Jünger eine ganz neue Erfahrung machen. Sie erleben Menschen und Gruppen aus verschiedensten Ländern und Regionen der damaligen Welt. Es ist ein Potpourri von Menschen, vielleicht würden wir heute sagen ein Multi-Kulti-Gesellschaft. Unerwartet ist ihnen ein Geist geschenkt, der sie einander nahebringt, verbindet zu Schwestern und Brüdern. Es lässt sie nur noch staunen.
Wir haben in Hard möglicherweise eine ähnliche Situation. Die Gemeinde beherbergt Menschen aus 93 Nationalitäten. Es ist Heiliger Geist, der zusammenführt, der mit Achtung und Respekt begegnen hilft, der in der Vielfalt das Gemeinsame ermöglicht und im Gemeinsamen die Unterschiedlichkeit erlaubt. Es ist Heiliger Geist, der neben einer gemeinsamen Sprache die Muttersprache hochhält und staunen hilft, was jede und jeder als Mensch einzubringen hat.
Wo Menschen aufeinander zugehen und einander zuhören, erfahren sie Gottes große Taten. Oberflächliche Begegnungen dagegen sind oft ein Weg zu Vorbehalten, Verdächtigungen und Angst.
Im Evangelium sind wir nochmals mit einer völlig anderen Wirkweise des Heiligen Geistes konfrontiert. Die Apostelgeschichte hat uns erzählt, dass Menschenmassen zusammenkommen. Es ist ein sichtbares Zeichen nach außen. Im Evangelium werden die Menschen vor allem im Inneren berührt. Friede sei mit euch. Dieses Wort des Auferstanden richtet sich an verängstigte, ratlose und orientierungslos gewordene. Friede sei mit euch. Das Wort richtet sich auch an schuldiggewordene, die ihn in der größten Not verließen. Es ist die Zusage, dass nichts Störendes und Trennendes zwischen ihnen ist. Und es ist jener Friede, der gemeinsam weitergehen, in die Zukunft gehen lässt.
Es ist der Friede, der vom Auferstandenen ausgeht, der nicht urteilt oder verurteilt. Es ist ein Friede, der keine Unterwürfigkeit oder Niederwerfung fordert. Es ist ein Friede, der Beziehungen ermöglicht und heilt.
Papst Leo hat die Welt nach seiner Wahl mit den Worten begrüßt: „Friede sei mit euch allen!“ Es ist wohl sein Wunsch an die Menschen und Völker dieser Welt, dass sie in Frieden leben können. Vermutlich sieht er es aber auch als Aufgabe für die Kirche insgesamt, sich in dieser Welt in den Dienst des Friedens zu stellen. Der Friede steht in enger Beziehung zu Recht, Gerechtigkeit und Würde des Menschen. Sie brauchen einander.
Wir feiern an Pfingsten den Heiligen Geist, den Geist des Friedens. Er geht von Gott aus als schöpferische Kraft. Darauf ruht unsere Hoffnung. Nein, wir müssen und können ihn nicht machen. Wir sind aber eingeladen, ihn anzunehmen, wirken zu lassen und Menschen des Friedens zu sein.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.