Hoffnung und Zuversicht 1. Lesung: Jona 3, 1–5.10| 2. Lesung: 1 Kor 7, 29–31| Evangelium: Mk 1,14-20
Fischer arbeiten bei nahezu jedem Wetter, bei Wind und Wellen, Hitze und Kälte, auf einem schwankenden Schiff in der Natur. Die Planken an Bord sind rutschig, das Wasser häufig eiskalt und die vollen Netze schwer. Geregelte Arbeitszeiten sind fast nicht möglich, man muss sich nach Wind und Wetter richten. Vor jeder Ausfahrt müssen die Umstände geprüft werden, will man sich selbst nicht in Gefahr bringen.
Wer als Fischer arbeitet, muss sich eine breite Palette an Kenntnissen erwerben. Besonders wichtig ist die Sicherheit des Schiffes. Fischerinnen und Fischer müssen mit allen Einrichtungen und der Stabilität des Schiffes vertraut sein. Davon hängt nicht nur die Fangbeute und ihr wirtschaftlicher Erfolg ab, sondern in vielen Situationen auch ihre Gesundheit und ihr Leben. Es bedarf einer kontinuierlichen Pflege des Schiffes und der Netze.
Erst als erfahrener Fischer weiß man, wann und wo es sich lohnt, die Netze auszubringen, zu welcher Jahreszeit und bei welchem Wetter sich Fische besonders gerne an bestimmten Orten aufhalten. Zum Fischen gibt es sogenannte „passive“ Fanggeräte, wie z.B. Körbe, die unbewegt im Wasser liegen und die Fische selbst hineinschwimmen und „aktive“ Fanggeräte, die wie z.B. Schleppnetzte durchs Wasser gezogen werden. Abhängig von der Dichte der Netze kann man selektiv fischen, das heißt man fängt nur Fische bestimmter Größen, die in den Maschen hängen bleiben. Nicht jedes Fanggerät ist für jeden Ort bzw. für jedes Gewässer geeignet.
Ganz sicher kann man sich nie sein. Fischer leben mit den Unwägbarkeiten der Natur. Man lernt, die Gunst der Stunde zu nutzen.
Jesus muss von den Fischern am See von Galiläa beeindruckt gewesen sein. Wir wissen nicht, warum Jesus nach seinem Wüstenaufenthalt gerade dorthin gegangen ist. Galiläa war damals einerseits geprägt von jüdischer Frömmigkeit. Andererseits gab es Städte, die sich an der griechischen Kultur orientierten. Zu diesen kulturellen und religiösen Unterschieden traten soziale Gegensätze zwischen der reichen Stadt- und der oft armen Landbevölkerung. Galiläa war die Gegend, in der die Sehnsucht nach politischen und sozialen Veränderungen bei den Menschen besonders groß war.
Jesus war vermutlich noch ganz mit der Verarbeitung der Verhaftung seines Freundes und Wegbereiters Johannes beschäftigt, als er am See entlang ging. Eine derartige Verfolgung einer nahen Bezugsperson muss erst einmal verarbeitet werden. Er kennt das Schicksal des Johannes – des einsamen Mahners in der Wüste. Will Jesus die gute Nachricht zu den Menschen bringen, dann kann er das alleine nicht schaffen.
Jesus muss von Simon und Andreas beeindruckt gewesen sein. Das waren keine schmächtigen Männer, sondern eher Hünen, Männer kräftig an Statur und selbstbewusst. Sie hatten keine filigranen Hände, sondern Pranken. Sie wussten zuzugreifen. Sie waren noch jung, aber nicht unerfahren. Es waren junge Männer, die in ihrem Leben noch etwas vorhatten, aber die Last der gesellschaftlichen Umstände und Steuern spürten, die ihnen ein Fortkommen fast unmöglich machten. Jeder, der in einem Familienbetrieb aufwächst, weiß was es bedeutet, wenn man immer nur bei den eigenen Eltern in die Lehre geht. Insgesamt hatten sie wohl das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Nicht umsonst ergriffen die beiden Brüder die Gunst der Stunde und ließen den Vater Zebedäus zurück. Sie wollten einmal etwas anderes versuchen, aus dem Alltag ausbrechen und ihrem aussichtslosen Leben eine Perspektive geben. Da kam einer, der gerade ihre Talente und Fähigkeiten brauchen konnte. Jesus kündigt ihnen an, sie zu Menschenfischern zu machen.
Jesus will das verkünden, was das Volk von Ninive erleben durfte und der Prophet Jona kaum glauben konnte. Wenn jemanden sein Verhalten reut, gibt es Vergebung. Und nach der Umkehr kann im Schutz Gottes weitergelebt werden. Die Geschichte des Jona beschreibt die unendliche Barmherzigkeit Gottes. Um diese Botschaft verkünden zu können braucht Jesus Unterstützer und wer könnte das besser sein, als diese Männer, die kein Wetter und keine Gefahren scheuen, nicht zimperlich sind, und anpacken können. Mit so kraftvollen Männern lässt sich etwas bewegen.
Es verwundert, dass die Jünger auf die Aussage von Jesus, sie zu Menschenfischern machen zu wollen, nicht nachfragten, was er damit meine. Vielleicht wussten sie, was seine Vorstellung war, weil sie es gerade erlebten. Menschenfischer sein meint, Menschen aus dem trüben Wasser des Lebens herauszuholen; ihnen eine neue Perspektive von Hoffnung und Zuversicht zu geben; die Kraft, Abschied vom Alltag zu nehmen und sich aufzumachen nach neuen Ufern; das Schicksal nicht nur erleiden zu wollen, sondern kräftig anzupacken; fesselnde Ketten zu sprengen damit Veränderung passieren kann. Der vor kurzem verstorbene Fürst Schwarzenberg erzählte in einem seiner letzten Interviews, dass die schönste Zeit seines Lebens die Zeit seiner Mitarbeit bei Staatspräsident Václav Havel in der Prager Burg nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gewesen sei. Auf die Frage des Reporters, was denn das Schöne war, antwortet er: „Revolution zu machen ist immer schön, das macht einem großen Spaß“. Er sprach von der „samtenen“ Revolution.
Wir erleben derzeit weltweit ca. 40 Kriege, eine zunehmende Verrohung von Sprache in unserem Parlament, eine steigende Zahl von Femiziden. Menschenfischer zu sein bedeutet, gewaltlos dagegen zu halten, Widerstand zu leisten und Dinge beim Namen zu nennen. Das ist oft schwer auszuhalten. Judas der Zelot ist am Anforderungsprofil des Menschenfischers – eines lediglich zivilen Ungehorsams und gewaltfreien Widerstandes – gescheitert und musste bitter erleben, dass Gewalt nur Gewalt erzeugt und den friedlichen Verkünder des Reiches Gottes ans Kreuz bringt.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jona anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.