Licht der Hoffnung 1. Lesung: Jes 9,1-6|2. Lesung: Tit 2,11-14|Evangelium: Lk 2,1-14
Was wir in dieser Heiligen Nacht feiern, ist gleichsam ein Kontrapunkt in einer schwer verunsicherten Welt. Gott kommt als Mensch in die dunkelste Zeit des Jahres, in die Mitte der längsten Nacht. Er kommt als Retter, so sein Name und Programm.
Es ist die Botschaft von Weihnacht: Wenn die Menschen Nacht umgibt, sie im Dunkeln leben, dann ruft es Gott auf den Plan. Ihre Not rührt sein Herz an. Die Feier der Heiligen Nacht ist von diesem Gedanken getragen, dass Gott sich jenen zuwendet, denen das Leben zur Nacht geworden ist. Sie dürfen sein rettendes Kommen erwarten. Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf (Jes 9,1).
Es ist ein besonderes Licht. Es ist nicht das Licht der Morgendämmerung oder Morgensonne. Wir sind dabei an den ersten Schöpfungshymnus erinnert. Das erste Werk, das Gott schafft ist Licht. Sonne, Mond und Sterne werden am vierten Tag geschaffen. Dieses erste Licht, das Gott schafft, ist das Licht der Hoffnung oder wie wir umgangssprachlich sagen: Mir ist ein Licht aufgegangen. Ich sehe wieder Licht.
Dieses Licht, das Mut macht, das Orientierung schenkt, das Aufatmen lässt, das einen Menschen weiter machen hilft, es ist das Licht der Hoffnung und die Bibel sagt dazu: es ist das erste Werk Gottes. Ins Tohuwabohu – ins Chaos einer Katastrophe, einer Krankheit, eines Schicksalsschlages oder Chaos einer Pandemie – bringt Gott Licht.
Nicht nur am Beginn der Bibel macht der Mensch die Erfahrung mit Dunkelheit. Nur wenige Kapitel später wird uns erzählt, dass Menschen sich einen großen Namen machen wollen und das Bestreben haben, ein Volk mit einer Sprache zu werden. Dazu bauen sie sich einen Turm, der bis zum Himmel reichen soll. Fatal daran ist, dass sie genau das Gegenteil erreichen: Ihre Sprache wurde verwirrt. Sie verstanden sich nicht mehr. Und: Sie wurden über die ganze Erde zerstreut. Sie waren zerstreut, gespalten (Gen 11,7f). Es wird dunkel, wenn man nicht mehr miteinander reden kann, einander nicht mehr versteht, einander nur noch aus dem Weg geht.
Diese Dunkelheit ruft auch hier Gott auf den Plan. Es ist ein kleiner Anfang und dennoch hat er eine große Wirkung. In dieser verwirrten und gespaltenen Situation ruft Gott Abraham und Sara (Gen 12,1-5). Mit diesen beiden Menschen fängt er neu an. Der Ruf lautet: Zieh weg aus deinem Vaterhaus, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterland. Mit anderen Worten zusammengefasst: Lass los! Lass los, was dir jetzt scheinbare Sicherheit bietet. Er erhält dafür Zusagen: Gott wird ihre Namen großmachen. Sie werden ein großes Volk werden. Das Loslassen wird ihnen zum Segen sein und sie sollen anderen zum Segen sein.
Der Glaube Abrahams besteht nicht darin, dass er etwas für Wahrhalten müsste, oder er nun die Eigenheiten Gottes beschreiben kann, sondern der Glaube Abrahams zeigt sich vor allem im Loslassen. Abraham und Sara machen dabei unterschiedliche Erfahrungen und müssen viel lernen. Mit der Zusage verbunden ist der Auftrag: Seid den Menschen zum Segen.
Auf dem Hintergrund des Gehörten einige Gedanken:
Wir feiern Heilige Nacht. Es gibt das Erschrecken über das, was in den letzten Wochen und Monaten in unserer Gesellschaft passiert. Die besonderen Umstände und Herausforderungen haben Ängste, Verschwörungstheorien, Spannungen und Spaltungen an die Oberfläche – ins Licht – gebracht. Sie waren schon länger da, aber eben im Untergrund. Wir sind in einer Situation, in der wir als einzelne, als Gesellschaft und nicht zuletzt als Kirche zu lernen haben mit den verschiedenen Krisen, die sich als Dunkelheit über uns gelegt haben, umzugehen. Wir dürfen dies im Glauben tun, dass dieses Lernen vom „Retter“ begleitet und gelenkt ist.
Wir waren es gewohnt zu planen, weit hinaus zu planen. Über weite Strecken schien beinahe alles machbar zu sein. Wir müssen durch die verschiedenen Krisen – Klima, Pandemie, Kriege und Konflikte zwischen verschiedenen Staaten und Völkern – neu begreifen, wie fragil das Leben, Beziehungen, der Friede, ja das menschlich Machbare ist. Es ist eine immense Verunsicherung. Für mache ist es schwer, Verunsicherung auszuhalten. Sie sind versucht, schnelle und einfache Antworten zu glauben oder zu geben, beziehungsweise die Antworten im Irrationalen oder Spiritistischen zu suchen.
Wir ahnen auch, wollen wir Zukunft haben, dann sind größere Veränderungen in den Lebenseinstellungen und -haltungen notwendig. Sie betreffen nicht nur andere, sondern alle, auch mich. Wir ahnen ebenso, dass der Weg aus diesen Krisen keine Angelegenheit eines einzelnen ist. Wir sind aufeinander verwiesen. Es geht nur gemeinsam: mit Rücksicht, mit Solidarität. Das ist für manche neu; auf manche wirkt es unheimlich oder ist gar unerträglich.
Abraham und Sara – Beduinen – haben einen Neuanfang gesetzt, besser gesagt: es war Gott, der mit ihnen einen Neuanfang setzte. Sie haben losgelassen: Sicherheiten, lautes Geschrei, Vorurteile, fixierte Meinungen. Sie waren keine Macher, sondern in besonderer Weise Lernende. Sie lernten die Dankbarkeit, das Hören, das Schritt für Schritt gehen. Sie begleitete die Frage: Wie bin ich zum Segen? Oder: Wie kann ich anderen in der jeweiligen Situation tatsächlich gut sein? Gutes tun?
Es ist die Grundberufung eines jeden Menschen: Sei zum Segen. Lebe so, dass du zum Segen bist. Da braucht man keinen großen Namen, keine besondere Macht oder Stellung, kein großes Vermögen. Gott will mit jeder und jedem Geschichte – Heilsgeschichte – schreiben, auch mit dir.
Wir feiern Heilige Nacht. Grund unserer Freude ist, dass die Engel künden, der Retter ist uns geboren. Sein Licht leuchtet in jede Nacht, auch in die längste und tiefste Nacht. Deshalb: Fürchtet euch nicht!
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Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und bedanken uns herzlich für Ihr Interesse.
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Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesája anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an Titus anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: