Räume und Wege für ein sinnvolles Leben 1. Lesung: Ez 1,28c-2,5| 2. Lesung: 2 Kor 14,7-10| Evangelium: Mk 6,1b-6
Wer glaubwürdig verkündigen will wird versuchen, dass das, was er oder sie sagt, möglichst auch selbst zu leben. Was diese Verbindung zwischen Verkündigung und Leben betrifft, lässt sich beim Apostel Paulus finden. Sein Leben zeugt davon. Die Lesung hat ein Thema seines Lebens, mit dem er sich intensiv beschäftigte angesprochen. Er gibt im Brief selbst einen Einblick in seine Erfahrungen: „Fünfmal erhielt ich von Juden die neununddreißig Hiebe; dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See. Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, durch wachte viele Nächte, ertrug Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Blöße“ (2 Kor 11,24-27).
Man mag fragen: Was treibt einen Menschen an so viele Herausforderungen auf sich zu nehmen? Er riskiert Leib und Leben. Die Zahl derer, die für sein Wirken dankbar sind, scheint überschaubar zu sein. Dass es feindlich gesinnte Menschen gibt, mag nachvollziehbar sein, doch schwer zu ertragen sind falsche Brüder und Schwestern. Doch alles das hindert Paulus nicht seine Verkündigung fortzusetzen. Seine „Begegnung“ mit dem Auferstandenen, die ihn vom Ross fallen ließ, wirkt weiter. Paulus hat erkannt und in diesem Anliegen bleibt er unterwegs: „In seiner Person (Jesus Christus) ist die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16). Paulus ist getrieben der todbringenden Feindschaft entgegenzutreten und alles dafür zu tun, dass Menschen miteinander auf dem Weg sein können.
Es ist kein „Schmusekurs“. Wir wissen, dass Paulus mehrmals Kämpfe – teilweise heftige – mit Mitarbeitern hatte und sich auch gelegentlich von dem einen oder anderen trennte, aber es bleibt für ihn unvorstellbar gegen das Leben eines Menschen vorzugehen.
In diesem Einsatz hindert ihn eine Krankheit, die ihn quält. In der Lesung wird sie von ihm als „Stachel“ bezeichnet. Das Wort malt plastisch sein Krankheitsbild aus; man ahnt den Schmerz, der ihm körperlich zu schaffen macht. Dieser Stachel ist ihm „ins Fleisch gestoßen“ worden. Wie so oft im Neuen Testament umschreibt eine Aussage im Passiv das Handeln Gottes. Gott steht auch hinter diesem Geschehen. Dem widerspricht die Aussage nicht, dass ein „Bote Satans“ diesen Schmerz verursacht hat. In der Bibel ist der Satan nicht der absolute Gegenspieler Gottes.
Es ist schon viel darüber spekuliert worden, auf was für ein Leiden sich der „Stachel im Fleisch“ beziehen könnte? Man geht davon aus, dass es sich um ein körperlich chronisches Leiden handelt, wie etwa: Migräne, Kopfschmerzen, Ischias, Rheuma, Nierenkoliken bis zu Hysterie und Epilepsie. Eine schlüssige Diagnose lässt sich nicht mehr stellen.
Für uns wichtiger ist heute die Frage: Wie ist Paulus mit seiner Krankheit umgegangen? Zunächst kann festgestellt werden, dass er sie nicht einfach hingenommen hat. Er ist tätig geworden. Er hat „dreimal“ gebetet, wie auch Jesus es im Garten Getsemani getan hat. Sein inständiges Gebet ist aber nicht erhört worden, zumindest nicht so, wie es Paulus gewünscht hätte.
Er hat anstelle der ersehnten Gesundheit ein Wort Christi erhalten: „Meine Gnade genügt dir“. In diesem Wort finden wir zwei verschiedene Aspekte. Ein erster mahnender: Mehr bekommst du nicht, mit dieser Auskunft musst du leben. Es gibt allerdings einen zweiten, wichtigeren: Meine Gnade reicht für dich völlig aus. Du brauchst nicht mehr, denn in meiner Gnade hast du, was du zu deinem Leben und zu deinem Dienst brauchst.
Paulus ist mit der nichterfolgten Heilung seiner Krankheit, mit der Endgültigkeit seiner Qualen konfrontiert worden. Für ihn folgte daraus nicht, dass Gott ihm nicht helfen will oder kann. Vielmehr hat er gerade in dieser Ohnmacht eine tiefe Gotteserfahrung gemacht. Er hat erkannt, dass gerade in einer Situation, in der die eigenen Kräfte an ihre Grenzen kommen und seine eigenen Möglichkeiten enden, sich die Kraft Christi in ihrer wirklichen Stärke zeigt. Es erweist sich, dass auch ein kranker und schwacher Apostel die gute Botschaft Gottes kraftvoll verkündigen kann, dass Menschen zum Glauben an die Rettung kommen, dass er glaubwürdig ist.
Paulus fasst die Erfahrung in einem paradoxen Satz zusammen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (1 Kor 12,9). Es wäre zynisch und menschenverachtend, wenn wir das von außen an einen leidenden Menschen herantragen würden. Doch hier ist es eine Einsicht vom Betroffenen, von Paulus selbst. Die Einschränkungen durch die Krankheit hindern ihn nicht Räume und Wege für ein sinnvolles Leben zu finden. Vermutlich hat er auch erfahren dürfen, dass er gerade erst durch seine Schwachheit Zugang zu manchen Menschen findet und durch sie zum glaubwürdigen Gesprächspartner wurde.
Vielleicht hat Paulus beim Gebet gedacht, wenn ich gesund oder gesünder wäre, könnte ich Jesus, dem Herrn viel besser dienen und noch mehr für das Evangelium arbeiten. Müssen wir nicht alle damit leben, dass wir defizitär sind? Manche wünschten sie könnten besser reden, wären schlagfertiger, hätten mehr Wissen oder wären eben gesünder.
„Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet“. Es ist ein Satz, den dürfen sich Eltern zu Herzen nehmen, wenn sie Diskussionen mit Kindern führen. Es ist ein Satz, der uns begleiten darf, wenn wir mit Ohnmachtserfahrungen konfrontiert sind. Zu bedenken ist, dass die Erkenntnis bei Paulus auch erst allmählich gereift ist.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Ezéchiel anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Räume und Wege für ein sinnvolles Leben 1. Lesung: Ez 1,28c-2,5| 2. Lesung: 2 Kor 14,7-10| Evangelium: Mk 6,1b-6”
Ich erlebe bei mir, wie ich mit körperlichen Schwächen umgehen darf -Diabetes. Schlafapnoe, Herzprobleme, Bluthochdruck, Ischias-Nerv entzündet-.
Diese Krankheiten helfen mir, mein Leben bewusster zu leben und Gott näher zu sein.
Durch regelmäßige Bewegung und bewusster Ernährung kann ich schlimmere Folgen verhindern.
In spirituellen Gesprächen mit einer Seminarleiterin kann ich mir Probleme aus verschiedenen Sichtweisen anschauen. Dadurch kann ich mich auch in meinen Bibelkreis sinnvoll einbringen.
Meine Grundeinstellung ist es Leben zu erhalten -diese Veränderung erreiche ich nur bei mir-.
Wo ich an meine Grenzen komme, ist wenn machtbesessene Menschen sinnlos Leben zerstören. Ich denke schon, dass die Angegriffenen ihr Leben erhalten dürfen. Eine Vergebungsbereitschaft dürfte noch weit weg sein.
Gottes Hilfe und Glaube und Gebet der Menschen ist für eine Veränderung unbedingt nötig.
Gesegnete Zeit