
Seht, neu mache ich alles! 1.Lesung: Apg 14,21b-27| 2.Lesung: Offb 21,1-5a| Evangelium: Joh 13,31-33a.34-35
Es gibt ein wachsendes Interesse der modernen Psychologie an gläubigen Menschen. Es hat mit Langzeitstudien zu tun, in denen nachgewiesen wird, dass trendmäßig gläubige Menschen gesünder und resilienter sind und ein höheres Lebensalter erreichen. Die Frage für sie: Was sind die Gründe? In dieser Suche nach den Gründen spielt die Gerhirnforschung eine gewichtige Rolle.
Man weiß, dass für das Selbstverständnis und für die Gestaltung des Lebens Narrative, Erzählungen wichtig sind. Es ist vielen gemeinsam: Regierungen, Parteien, Verbindungen, Vereine, Religionen u.a. Denn diese Narrative vermögen Identität und Motivation zu schaffen.
Die Erzählungen können – wie bereits erwähnt – verbindend und identitätsstiftend sein. Sie können aber genauso das Gegenteil bewirken, nämlich spalten und ausgrenzen, nämlich dann, wenn Personen oder Personengruppen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe oder aus anderen Motiven abgewertet werden.
Im Letzten ist die Bibel insgesamt ein Narrativ, eine umfassende Erzählung der Hoffnung. Sie bietet zugleich für unterschiedlichste, herausfordernde Situationen Bilder und Geschichten der Hoffnung an. Eine solche herausragende Erzählung finden wir am Ende der Bibel, in den letzten Kapiteln der Offenbarung des Johannes. Wir haben sie als Lesung gehört. Der Seher Johannes spricht davon: Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.
Johannes, der selbst Gefangener auf der Insel Patmos ist, hat Gemeinden, Menschen vor Augen, die mit vielen Schwierigkeiten und Problemen zu kämpfen haben. Viele von ihnen sind arm, erleben Verleumdung und Anfeindungen, sind des Lebens nicht sicher. Diese Erde bietet ein schweres Leben.
Ihnen wird zugesagt, dass Neues wird, ein neuer Himmel und eine neue Erde. Auch schon damals gab es Institutionen, Gruppen und nicht zuletzt das römische Reich, die den Himmel versprochen haben. Von diesem ersten Himmel ist nichts geblieben. Der neue Himmel und die neue Erde, die der Seher verkündet, schafft ein anderer. Diese letzten Kapitel greifen nochmals den Anfang auf, die Schaffung der Welt durch Gott und er schafft jetzt – heute – das Neue.
Eine echte, tragfähige Hoffnung darf nicht vertrösten, d.h. sie würde es dann tun, wenn ihr der Boden, die Erfahrungen fehlen. In den Gemeinden erleben die Menschen bereits diese „neue Welt“, wenn sie leben, was Jesus im Johannesevangelium den Seinen aufgetragen hat: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr einander lieben (Joh 13,34). Die Menschen haben mit dem einander Lieben ihren Beitrag zu leisten und doch erfahren sie zugleich, im füreinander Dasein und Lieben wächst so viel Verbindendes und Menschliches, das das Machbare weit übersteigt. Der Seher greift das Bild von der Braut auf, die sich für den Bräutigam schmückt. Das Lieben Liebender wird zur Erfahrung des reich Beschenkt Werdens.
Der neue Himmel und die neue Erde – es sind verheißungsvolle Anfangserfahrungen.
Der Text enthält viele weitere Anspielungen auf das Werden der Gemeinden, beziehungsweise der jungen Kirche. Auf zwei sei hingewiesen:
Mit dem Schreiben wendet sich Johannes zunächst an Gemeinden, die ihm nahe sind. Zugleich zeigt sich im Text die universelle Ausrichtung, dieses Dasein Gottes für die gesamte Schöpfung, die gesamte Welt und alle Menschen. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Mühsal. … Der auf den Thron sprach: Seht, ich mache alles neu. Das „Alles“ wird hervorgehoben, nicht ein Volk, auch nicht das Gottesvolk, oder nicht nur eine Nation und sei sie mächtig oder die mächtigste.
Ein weiterer Aspekt, der im Text anklingt, betrifft die Stadt als Wohnort Gottes. Gott will Wohnung nehmen unter uns, bei uns sein und in unserer Mitte wohnen. Wir werden sein Volk sein.
Es ist Gott, der in unserer Mitte wohnen will. Nicht alles hängt von der menschlichen Praxis ab. Vielleicht sieht das Wohnen Gottes unter uns anders aus, als wir es annehmen oder erwarten. Wir sind da an Matthäus erinnert, der das Wohnen Gottes so beschreibt: „Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,35f).
Die Kirche ist nicht am Ende. Wir sind nicht am Ende. Es ist die Stimme zu hören: Seht, neu mache ich alles!
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus der Offenbarung des Johannes:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.
Ein Kommentar zu “Seht, neu mache ich alles! 1.Lesung: Apg 14,21b-27| 2.Lesung: Offb 21,1-5a| Evangelium: Joh 13,31-33a.34-35”
“Gott wohnt anders”
Lieber Erich,
vielen Dank für die aufbauenden Worte jedes Wochenende. Zum heutigen “Gott wohnt anders” eine kleine Ergänzung: Pater Martin Werlen, Probst zu St. Gerold, hat auf einem Seminar erzählt, dass diese Stelle eigentlich besser übersetzt wird mit: “Gott wird zeltend unter uns sein und allen die Tränen abwischen.” Auch können wir im ersten Kapitel des Johannesevangeliums besser übersetzen mit “Und das Wort ist Fleisch geworden, zeltend unter uns.”
Gott wohnt also nicht in einem Palast unter uns, sondern ist zeltend wie ein Beduine unter uns, oder wie ein Flüchtling – hungrig und durstig.
JHWH macht alles neu und allen Liebenden wird JHWH die Tränen abwischen.
Sonnige Grüße
Felix