Sendung in die Welt 1. Lesung: Apg 1,15-17.20-26 | 2. Lesung: 1 Joh 4,11-16 | Evangelium: Joh 17,6a.11b-19
Er wird nicht namentlich genannt und dennoch ist er ein wichtiges Thema in den Abschiedsreden Jesu, bzw. im gehörten Abschiedsgebet Jesu. Gemeint ist: Judas.
Was ist seine Rolle? Was ist sein Schicksal? Was steht dahinter, wenn es da heißt: Judas ging verloren, der Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt.
Es braucht zunächst zwei, drei Vorbemerkungen zum Verständnis: Wenn im Johannesevangelium von „Welt“ die Rede ist, so ist es der Inbegriff dessen, was Gott gegenüber steht. Mit Welt sind jene Erfahrungen umschrieben, in der die Gottvergessenheit, die Gottesleugnung herrscht, in der Menschlichkeit, Liebe, Solidarität, Gerechtigkeit keine Themen sind, in der Willkür, Konkurrenz, Profit, Machtmissbrauch, das Zulassen von Elend und Not freien Lauf haben.
Jesus ist angetreten eine Bewegung ins Leben zu rufen, die dieser „Welt“ trotzt und ein Gegenmodell lebt. Es ist das Leben im anbrechenden Reich Gottes. Dieses Gegenmodell gipfelt in der Fußwaschung. Ich habe euch ein Beispiel gegeben. Liebt einander, wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Nach dieser Handlung und nach diesen Worten folgt ein Gebet Jesu. Er bittet den Vater, er möge alle in seinem Namen bewahren und er bittet, dass sie eins seien, so wie der Vater mit ihm eins ist. Keiner soll verloren gehen, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt.
Mit der Anspielung auf die Schrift ist Psalm 41 angesprochen. Es ist das Gebet eines Gerechten, der in seinem Engagement für Geringe massive Anfeindungen erfährt. Sogar der Freund erhebt sich gegen ihn. Der Beter bittet, dass der Feind nicht triumphieren kann und darüber hinaus, dass ihm Gott die Aufrichtigkeit bewahre, sprich: er nicht in den Strudel der Menschenverachtung gerät.
Nun zurück zu Judas und dem Gebet Jesu: Es ist die Bitte Jesu, dass der Vater sie in seinem Namen bewahre und sie eins seien. Das Verlorengehen des Judas bezieht sich nicht auf den Zustand ewiger Verdammnis, sondern es ist das Verlorengehen – der Rückfall – in die alte Welt des Bösen, der Gewalt, des Verrats der Menschlichkeit. Judas ist in diese Welt hinausgegangen, hat sich in diese Welt verloren.
Die Abschiedsrede und das Gebet sind wesentliche Voraussetzungen für jene Atmosphäre, in der bei den Jüngern und Jüngerinnen der Osterglaube wachsen konnte, in der sie die Kraft fanden, ihre Ängste und Selbstzweifel zu überwinden, die ihnen half jenen Weg weiter zu gehen, den Jesus mit ihnen begonnen hatte und in der zu ihnen der Friede und die Freude zurück kehrte. Diese „andere Welt Jesu“ ist Judas verloren gegangen.
Es gibt die Gefahr, dass Menschen wie Judas die Welt des Glaubens verlassen und sich erneut in der Welt des Bösen verlieren, sie wieder mit den Mitteln der Gewalt und Erpressung zu agieren beginnen, kalt und rücksichtslos Menschen begegnen, nicht länger im Geiste der Fußwaschung handeln. Von dieser Gefahr sind Menschen der Kirche, Menschen des sogenannten innersten Kreises unserer Gemeinden, wie es eben auch Judas war, nicht ausgeschlossen. Der Glaube ist kein Besitz. Er ist ein Geschenk und zeigt sich als Bewährung im Leben.
Bisher hat Jesus selbst mit seinem Wort und dem Lehren seine Bewegung in der Spur des Vaters gehalten. Er ahnt den Weggang voraus. Es bleibt ihm nur das Gebet, das Anvertrauen der Seinen an den Vater, dass ER sie im Weiteren behütet. Wir haben am Donnerstag Christi Himmelfahrt gefeiert. Gott mutet den Glaubenden zu, dass sein Werk ohne Jesus weitergeht. Er mutet es uns heute zu, dass sein Werk weitergeht und lebt mit weniger priesterlicher Präsenz, mit weniger Präsenz zölibatärer Männer. Es möge uns Christen bewusst bleiben, dass der Retter der Welt Jesus Christus selbst ist und der Hl. Geist jener, der sein Werk lebendig hält. Christen sind durch die Taufe Könige, Propheten und Priester. Vielleicht ist der sogenannte Priestermangel der Nachhilfeunterricht Gottes, insofern er uns neu bewusst macht, dass Jesus der Retter ist, wie wir es an Weihnachten verkünden und feiern? Das soll nicht in Frage stellen, dass es Dienstämter in der Kirche braucht; das Amt, das sich um die Einheit und das Weiterkommen bemüht. Vermutlich wird es in Zukunft nicht mehr so ausschließlich der zölibatäre Mann sein?
Ja, wir haben das Gebet füreinander nötig, dass wir im Namen des Vaters bleiben und nicht zu Menschen dieser Welt werden oder zu verbürgerlichten Christen, zu einer verbürgerlichten, selbstgenügsamen Kirche, die an ihren Privilegien festhält und ein Staat im Staate bildet.
Es ist beachtenswert: Jesus bittet den Vater nicht, dass er die Seinen aus der Welt nimmt, sondern dass sie vor dem Bösen bewahrt bleiben. Dem Evangelisten Johannes schwebt nicht eine Kirche der Reinen oder der Elite vor, sondern er mutet den Glaubenden diese Welt zu, in der sie als Sauerteig die andere Welt Gottes aufleuchten lassen, in der sie mit dem „Bleiben in der Liebe“ eine Alternative leben und diese „gottferne“ Welt verwandeln. In der Liebe bleiben: in Konflikten, im Gestalten von einer Trennung, im Zumuten einer Wahrheit, im Ziehen des Kürzeren … In diese Welt sind wir gerufen und berufen. Jesus betet, dass wir in der Welt bleiben, aber sie verwandeln.
Die Bitte Jesu lautet weiter: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt.“ Wir sind heute gesandt – sei es am Arbeitsplatz, unter Freunden, in Vereinen, im Urlaub oder am Stammtisch: Wir achten die Würde eines Menschen. Es wird nicht ge- und verurteilt. Unrecht – vor allem wenn es andere und schwache betrifft – wir beim Namen nennen. Wir pflegen Solidarität zu Menschen, denen das Leben mitspielt. In jedem Menschen – ausnahmslos – spiegelt sich das Angesicht Gottes. Kein Mensch ist uns Knecht oder Magd, sondern Bruder oder Schwester. Lasst uns auch die Schöpfung – die Welt unserer Kinder und Kindeskinder – lieben, bewahren und behüten.
Lasst uns in einer Stille füreinander beten, dass wir eins bleiben und miteinander in dieser Welt Gottes – im Namen Gottes – wandeln.
Ein Kommentar zu “Sendung in die Welt 1. Lesung: Apg 1,15-17.20-26 | 2. Lesung: 1 Joh 4,11-16 | Evangelium: Joh 17,6a.11b-19”
Jesus hat den Menschen, den bisher unaussprechlichen Gottesnamen JHWH offenbart: Vater. „Heiliger Vater – bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast.“ Der letzte Satz des Johannes Evangeliums lautet dann: „Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.“ Der eigentlich Sinn der Trinitätstheologie besteht darin, der Liebe des Vaters zum Sohn und der Liebe des Sohnes zum Vater Ausdruck zu verleihen. Dies ist der Geist den Jesus zurückließ: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.“