Spezielle Tugenden 1. Lesung: Sir 27,4-7|2. Lesung: 1 Kor 15,54-58|Evangelium: Lk 6,39-45
Seit dieser Woche haben wir Krieg in Europa zwischen Russland und Ukraine, ein Krieg, dessen Folgewirkungen nicht abschätzbar sind und weit über diese beiden Länder hinaus gehen werden. Es macht sprachlos. Wir werden deshalb in diesem Gottesdienst eine Zeit des Schweigens einbauen, um für das Ende der Gewalt und den Frieden zu beten.
Wir begehen bei uns zugleich den Faschingssonntag. Es ist die Einladung, dem Witz, dem Humor, der Ironie und der Freude Platz zu geben. Aufgrund der Vorgänge in der Welt tun sich viele schwer, beiden Themen Raum zu geben.
Wir können davon ausgehen, dass die Feldrede Jesu auch einen spannungsgeladenen Hintergrund hatte. Ich versuche dem näher zu kommen:
Es ist denkbar, dass Jesus die Sätze des Evangeliums nicht einfach todernst, sondern mit einem gewissen Witz erzählt hat: Kann denn ein Blinder einen Blinden führen? Oder: Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders zu herauszuziehen. Oder: Von Disteln pflückt man keine Feigen, und von Dornstrauch erntet man keine Trauben. Die subversive Wirkung der Sätze liegt in den Pointen, im Witz dieser Bilder.
Vielleicht darf man diese Bilder sogar mit einer besonderen Gestalt des Faschings verbinden, nämlich mit dem Clown. Die Menschen mögen im Fasching in die verschiedensten Rollen schlüpfen, aber unter allen diesen Rollen sticht der Clown besonders hervor. Er steht oft in einer Nebenrolle des Geschehens. Sei es im Fasching oder im Zirkus – er tritt in den Zwischenakten auf. Er stolpert und fällt und bringt die Zuschauenden zum Lachen. Er ist kein Held der Bewunderung. Er wirkt vielmehr oft unbeholfen, unsicher, linkisch, aber: die Leute sind auf seiner Seite. Die Menschen bringen ihm weniger Bewunderung, wohl aber Sympathie entgegen; nicht Staunen, sondern Verständnis. Sie reagieren auf ihn nicht mit Spannung, sondern mit einem Lächeln und haben das Empfinden: Der Clown ist wie unsereiner. Er teilt mit seinem Weinen und Lächeln die gemeinsamen menschlichen Schwächen (H. J.M. Nouwen, Gottes Clown sein, S 11f).
Den Clown zeichnen Tugenden aus, die wir christlich nennen können:
Der Humor des Clowns geht nicht auf Kosten anderer. Nicht die Fehler oder das Versagen anderer steht im Vordergrund, sondern seine eigene Unbeholfenheit, sein eigenes Stolpern und Fallen lässt Schmunzeln oder Lachen. Wie sehr erinnert dies an das Wort Jesu: „Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen“.
Ein Clown lacht über sich selbst, über die eigenen Schwächen und Fehler. Es tut der Psychohygiene gut, beziehungsweise es ist für die Seele äußerst heilsam, wenn jemand über sich selbst lachen kann. Das Weinen und das Lachen sind heilsame Vorgänge für Leib und Seele. Das Lachen ermöglicht Distanz und Gelassenheit und bewahrt einen Menschen davor, sich zu wichtig zu nehmen. Das Weinen vermindert seelischen Druck und Schmerz und reinigt. Der Clown lebt uns diese Tugend beispielhaft vor.
Obwohl ein Clown oft Anlass fürs Lachen ist, muss er keineswegs ein fröhlicher Mensch sein, im Gegenteil, er kann oft traurig und ein Weinen im Gesicht haben. Es ist öfters die Situation von Menschen: Es ist todernst und dennoch muss man – oder kann man – lachen. Möglicherweise verbirgt sich dahinter jene tiefere Weisheit, dass manche ernste und schwierige Situation des Lebens nur mit einem Schuss Humor heil zu meistern ist. Ohne diesen Humor wächst die Gefahr des Verbeißens oder Verbitterns.
Der Clown tritt schließlich auf, um anderen das Leben leicht zu machen. Es ist nicht sein Ziel anderen das Leben zu vermiesen. Er fällt vielleicht selbst in eine Grube, aber gräbt anderen keine. Anderen das Leben leichtmachen, das können Menschen mit Gottvertrauen. Sie können die „Dinge g`rad` sein lassen“, großzügig mit Schwächen umgehen oder manches auch übersehen, wenn niemand zu Schaden kommt. Sie haben das Vertrauen, Gott wirkt Gutes in und mit anderen und auch in mir.
In den 80-er Jahren ist ein Buch erschienen mit dem Titel: „Gottes Clown sein“. Der Autor hat es für Priester geschrieben. Vielleicht dürfen wir von Jesus sagen, dass er manche Züge eines Clowns geteilt hat: Er war einer von uns. Er hat anderen das Leben leichtgemacht. Wir können davon ausgehen, dass er manche Diskussionen mit großer Schärfe führte, dabei den entlarvenden Witz keinesfalls bei Seite ließ. Der Clown – ein Inspirator fürs Christsein heute. Es ist keine schlechte Fährte: Gottes Clown in dieser Welt sein.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Jesus Sirach anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem ersten Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korínth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: