Alle sind vom Vater geliebt 1. Lesung: Apg 7,55-60 |2. Lesung: Offb 22,12-14.16-17.20|Evangelium: Joh 17,20-26
Ich möchte mit drei Vorbemerkungen beginnen:
Eine erste: Nach der Fußwaschung rüstet Jesus seine Jüngerinnen und Jünger für das Kommende. Es ist für alle eine Situation der Ungewissheit und Unsicherheit, mit vielen offenen Fragen. Jesus lässt seine Reden in ein abschließendes Gebet münden. Er betet zunächst für seine Jünger, die er zurücklässt, damit sie den Versuchungen gewachsen sein mögen und dann für jene, die durch das Wort zum Glauben an ihn gekommen sind. Damit sind wir heute in das Gebet eingeschlossen. Im Gebet zeigt sich das innerste Wesen eines Beters, der Glaube und die Hoffnungen. Ein Gebetstext ist weniger dazu angetan, über ihn zu diskutieren oder zu predigen, sondern ihn zu meditieren und wirken zu lassen; oder vielleicht der Versuch, ihn mit dem Herzen zu verstehen.
Eine zweite: Als Johannes dieses Evangelium schreibt – also auch dieses Gebet – ringen die Gemeinden um die Einheit, oder anders gesagt: Sie streiten und zwar heftig. Es sind innere Kämpfe um den rechten Glauben zwischen den juden- und den heidenchristlich geprägten Gläubigen. Und von außen erleben sie Anfeindungen und Verfolgung.
Eine dritte: Das Gebet Jesu enthält öfters den Begriff „Herrlichkeit“. Der Begriff leitet sich hier nicht vom Wort „Herr“ ab, sondern die Begriffe der Bibel lauten „Kabod“ im Hebräischen, „Doxa“ im Griechischen und „Gloria“ im Lateinischen. Sie können übersetzt werden mit: Ehre, Ruhm, Herrlichkeit, vielleicht auch Heilig. Es ist zu verstehen als „hehrere“ Wirklichkeit, als „Wucht“ Gottes, als ein in unsagbar, überwältigende Erfahrung versetzt sein.
Nun: Jesus betet um die Einheit. Es ist eine Einheit, die nicht machbar, sondern von oben, von Gott geschenkt ist. „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein“. Sie hat ihren tiefsten Grund in der Einheit zwischen Vater und Sohn. In diese Beziehung zwischen Vater und Sohn sind Glaubende, Getaufte hineingenommen.
Diese Einheit gründet in der Beziehung, die Gott zu jeder und jedem hat, nicht so sehr darauf, dass jeder dasselbe denkt und redet. Jede und jeder hat seine eigene, ganz besondere Beziehung mit Gott, darauf basiert diese Einheit. Wenn Menschen einander diese besondere Beziehung zu Gott zugestehen, können sie nicht anders, als einander mit Respekt und Ehrfurcht begegnen.
Diese Einheit begründet keinen elitären, herausgehobenen Zirkel oder Kreis. Jesus selbst macht keine Anstalten sich über die anderen zu erheben, im Gegenteil, er bittet darum, dass die anderen auch dort sind, wo er ist, dass sie ebenso seine Herrlichkeit sehen und ihnen jene Liebe zukommt, mit der er vom Vater geliebt ist. An der Liebe und Herrlichkeit des Vaters will er – Jesus – die Glaubenden teilnehmen, mitleben lassen. Diese Einheit ist frei von Konkurrenzgedanken und zielt darauf ab, sich gegenseitig zu bereichern und das weiter zu schenken, womit man selbst beschenkt wurde.
Diese Einheit ist eine Frucht der Liebe und führt zur Liebe hin. So hören wir Jesus bitten: „So sollen sie – die Gläubig gewordenen – vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“. Die Einheit wächst und wird, wo wir glaubend begreifen lernen, dass jede und jeder in derselben Weise vom Vater geliebt ist, wie es Jesus ist. Nochmals, Jesus betet: „…dass du die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ – einen solchen Gedanken kann man nur meditieren, jeden Tag neu. Er entspringt dem Geheimnis Gottes. Würde er nicht in der Bibel stehen, niemand würde wagen solches zu behaupten: vom Vater geliebt sein wie Jesus.
Man darf in die Runde schauen und dies bedenken: Alle um mich herum sind vom Vater geliebt wie Jesus und dies bis in den Tod hinein.
Die Liebe des Vaters geht jeder Liebe voraus. Auch wir müssen die Liebe des Vaters nicht erkämpfen, erkaufen, erbeten. Es geht darum – und das ist die Bitte Jesu –, dass diese Liebe zum Fließen kommt, in und durch uns. Das macht die Herrlichkeit Gottes, die Herrlichkeit Jesu aus, dass die Liebe durch ihn und durch die Glaubenden hindurch in die Welt hineinfließt.
Diese Einheit – nochmals – ist nicht machbar. Man kann sie nicht erzwingen oder verordnen.
Diese Einheit, um die Jesus bittet, wirft auch ein besonderes Licht auf den Umgang mit anderen Religionen und Kulturen, auf den Umgang mit sogenannten Fremden. Die Einheit, um die Jesus bittet, ist nicht gleichzusetzen mit dem Wunschtraum, dass die Menschen gleichförmig oder uniform werden. Die Herrlichkeit Gottes, die Herrlichkeit Jesu zeigt sich gerade in der Vielfalt, in der Buntheit und dem Anderssein von Menschen. In der Herrlichkeit Gottes wirkt eine Liebe, die Menschen groß macht und die andere erreicht, bevor ich jemanden liebe.
Vielleicht noch ein persönlicher Gedanke dazu. Vikar Gerhard Mähr und ich feiern heuer das 40-jährig Priesterjubiläum. Am 28. Mai 1982 wurden wir in Götzis geweiht. Es ist und bleibt ein erlebnisreicher Dienst. Ich bin dankbar für viele Begegnungen und viel erfahrenen Vertrauensvorschuss. Der Dienst lässt auch viele Fragen offen, nicht zuletzt, wie geht es mit der Kirche als Institution weiter? Es hat den Anschein als würde Gott uns sagen wollen, den zölibatären Mann braucht es nicht mehr. Ich bin zutiefst überzeugt, dass es weiterhin priesterliche Menschen geben wird – Frauen und Männer –, die Zeugnis von dieser Herrlichkeit Gottes geben.
Die Herrlichkeit Gottes und das Evangelium haben nach dem Abschied Jesu weitergewirkt, beziehungsweise sind aufgeblüht.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus der Apostelgeschichte anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus der Offenbarung des Johannes anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Johannes anhören möchten:
Ein Kommentar zu “Alle sind vom Vater geliebt 1. Lesung: Apg 7,55-60 |2. Lesung: Offb 22,12-14.16-17.20|Evangelium: Joh 17,20-26”
Hallo, lieber Erich!
Für’s Erste gratuliere ich dir zum 40 jähr. Weihejubiläum. Ich habe es in Götzis miterlebt und fest gebetet, dass dein Weg als Priester im Hl. Geist eine besondere Dynamik erweist. Das ist so geschehen. Am kommenden Pfingstfest soll dich der Hl. Geist erneut stärken und dir Beistand sein als Pfarrer von Hard und als Bibelreferent in der Diözese. Wenn du die Einheit so betonst, dann ist das voll und ganz meine Erfahrung. Ich lebe jeden Tag aus diesem Glauben und habe das Glück, noch im Alter mitzumachen beim Bibellabor und online mit den Gesprächen vom Bibelwerk Linz, Dr. Franz Kogler. Ich bin überzeugt, dass der Hl. Geist Wege weist, wie du sagst, dass es in Zukunft keine zölibatäre Männer geben muss. Diese Auffassung ist in mir auch gewachsen im Laufe des Lebens, bes. in der Pfarre Götzis, die oft eine Vorreiterrolle spielte. Danke für dein Engagement im Reich Gottes. Werde weiter beten um Kraft und Hilfe von oben.