
Großes Vermächtnis trotz Unterschieden 1.Lesung: Apg 3,1-10| 2.Lesung: Gal 1,11-20| Evangelium: Joh 21,1.15-19
Die Apostel Petrus und Paulus sind zwei große Gestalten der Kirche. Sie werden oft miteinander und nebeneinander dargestellt. Es erweckt den Eindruck, als wären sie beste Freunde gewesen. Ihr Zusammenstehen gleicht eher einer großen Klammer, in der Unterschiede und Gegensätzliches zusammengehalten werden. Sie vertreten unterschiedliche Bilder von Kirche, Pastoral und Glauben.
Zunächst zu den Berufungsgeschichten: Petrus war bei den ersten Jüngern, die von Jesus in die Nachfolge berufen wurden; berufen zu Menschenfischern. Er entwickelte sich zum Sprecher der Apostelgruppe. Petrus genießt Jesu Vertrauen. Er, zusammen mit Jakobus und Johannes bilden den engsten Kreis um Jesus. Nach Maria Magdalena ist Petrus ein bedeutender Zeuge der Auferstehung Jesu. Er hält beim Pfingstereignis eine große Brandrede, nach der sich viele taufen lassen.
Paulus ist Jesus nie unmittelbar begegnet. Er bekämpfte sogar die „Anhänger des neuen Weges“, wie die Christen anfangs genannt wurden. Bei der Steinigung des Stephanus ist Paulus dabei. Auf dem Weg nach Damaskus macht er dann eine einschneidende Erfahrung. Er begegnet dem Auferstandenen, fällt vom hohen Ross und erblindet. Er ist getroffen von der Frage: „Saul, warum verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). Ananias von Damaskus nimmt sich seiner an. Paulus beginnt ein neues Leben. Nach einer längeren Zeit des Rückzugs entwickelt er sich zum leidenschaftlichen Verkünder von Jesus Christus, dem Auferstandenen.
Paulus ging einmal nach Jerusalem hinauf, um seine Loyalität gegenüber den anderen Aposteln zu zeigen. Er hat sogar die verarmte Gemeinde von Jerusalem unterstützt und für sie Geld gesammelt (vgl. Röm 15,26). Der Eindruck bleibt, dass ihm die anderen nie so richtig trauten.
Ein Motto von Paulus lautet, dass er das Evangelium von Jesus Christus an jenen Orten verkündet, an denen es bisher noch nicht verkündet wurde. Das führt ihn vor allem zu den Heiden. Er ist damit ein wichtiger Wegbereiter der Öffnung des Glaubens hin zur Heidenwelt.
Dieses Zugehen auf die Heiden wird zum Anlass eines großen Konfliktes zwischen Paulus und Petrus. Es war zwar Petrus, der eine erste heidnische Person taufte, nämlich Cornelius mit der Familie aus Cäsaräa am Meer.
Als allerdings mehr und mehr getauft wurden, kam verstärkt die Frage auf, was wird von den Heiden verlangt? Müssen sich die Männer beschneiden lassen? An welche Regeln und Reinheitsgebote haben sie sich zu halten? An welche nicht? Die Fragen wurden auf dem sogenannten Apostelkonzil in Jerusalem diskutiert und entschieden. Petrus unterstützte Paulus in der Frage der Beschneidung. Sie wurde nicht länger verlangt. Wichtig bleibt vielmehr die Beschneidung des Herzens (vgl. Röm 2,29).
Als Paulus erlebte, wie Petrus sich bei einem Mahl von sogenannten Heidenchristen aus Feigheit zurückzog, weil ankommende Judenchristen an seinem Verhalten Anstoß nehmen könnten, heißt es von Paulus: Er habe dem Petrus ins Angesicht widerstanden (Vgl. Gal 2,11). Mit anderen Worten: Sie sind sich ordentlich in die Haare geraten.
In seinem Umgang mit den Frauen steht Paulus oft in fälschlicher Weise in einem schlechten Licht. Es ist Paulus, der als erste Christin Europas eine Frau tauft: die Lydia. Er tauft sie nicht nur, er setzt sie auch als Gemeindeleiterin ein. Wir können davon ausgehen, dass sie in dieser Aufgabe zugleich Leiterin des „Herrnmahles“ war. Natürlich waren die Sakramente damals noch anders als heute ausgestaltet. Doch hat Paulus mit einer Selbstverständlichkeit Frauen in Leitungsfunktionen eingesetzt. Im Brief an die Galater schreibt er: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). In Christus ist gibt es keine Abstufung, Über- oder Unterordnung. Es waren dann seine Schüler, die dem gesellschaftlichen Druck nachgaben. Ich zitiere aus dem Ersten Timotheusbrief: „Eine Frau soll sich still und in voller Unterordnung belehren lassen. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten“ (1 Tim 2,11f).
Eine Haltung des Paulus halte ich für beachtenswert. Es gibt für ihn keine Situation, die für ihn ungünstig für die Verkündigung des Evangeliums wäre. Jede Situation – ob Gefängnis, Folter, Schiffbruch, Steinigung, Arbeit, Unterwegssein über Land oder auf See, Hunger, Durst u.a. – ist für ihn Möglichkeit, beziehungsweise Chance Christus, den Auferstandenen zu verkünden. Es wird oft den Umständen zugeschrieben, dass die Verkündigung schwierig sei. Paulus würde das vermutlich anders sehen.
Ein Gedanke aus dem Epheserbrief prägt die Theologie des Paulus und hat besondere Aktualität in unserer Zeit. Er lautet: „Er – Jesus Christus – stiftete Frieden und versöhnte die beiden (Juden und Griechen) durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16). In keinem Menschen einen Feind zu sehen ist sein Menschenbild.
Wir feiern heute Petrus und Paulus. Ihr Vermächtnis ist groß mit und trotz ihrer Unterschiede.
In unseren Gedanken zu den Texten der Sonntage haben wir schon öfter auf die Problematik von Textauslassungen hingewiesen. Wir wollen einen Versuch starten und werden ab dem Beginn des neuen Lesejahres die Texte in der Länge der biblischen Verfasser lesen.
Seit Jahrhunderten beeindruckt die Bibel Menschen mit ihren Formulierungen. In der Zeit ihrer Entstehung für jeden verständlich brauchen Leserinnen und Leser von heute eine Übersetzung dieser Texte. Jede Übersetzung ist in gewisser Weise auch eine Deutung der Schrift. Die Einheitsübersetzung ist uns bereits vertraut. Wir wollen bewusst mit Beginn des neuen Kirchenjahres eine andere Übersetzung verwenden, um uns neu von den Texten überraschen zu lassen. Wir haben uns für die Übersetzung der BasisBibel entschieden, die seit Januar 2021 vollständig vorliegt. Die BasisBibel ist die Bibelübersetzung für das 21. Jahrhundert: klare Sprache, kurze Sätze und verständliche Sprache.