Im Angesicht Gottes 1. Lesung: Num 6,22-27|2. Lesung: Gal 4,4-7|Evangelium: Lk 1,16-21
Ein Blick in die Augen – ins Angesicht – genügt oft schon bei Menschen, die sich gut kennen, um zu wissen wie es um das Gegenüber steht, ob es ihr/ihm gut geht oder nicht? Es gibt Menschen, die können niemandem richtig in die Augen schauen. Sie weichen aus, schauen immer irgendwohin. Liebende dagegen können sich manchmal lange in die Augen sehen und brauchen keine Worte, um damit mehr als mit Worten zu sagen. Wir wissen ebenso, wie weh es tun kann, wenn ein naher Mensch uns nicht mehr anschaut, sich abwendet. Ferner genügt ein kurzer Blick in die Augen, um sich ein Bild von einem Menschen zu machen, ihn oder sie sympathisch oder unsympathish zu finden.
Im Aaronsegen wird der Segen Gottes in enger Verbindung mit dem von Gott angeschaut werden verbunden. Zu dieser Verbindung von Angesicht Gottes und Segen einige Gedanken:
Vorweg: Das Gesegnet sein, das einander segnen und zum Segen sein zählt zum Wesenskern des Glaubens. Abraham und Sara, die ersten an den einen Gott Glaubenden, werden von Gott gesegnet und sind berufen, die Menschen zu segnen und ihnen zum Segen zu sein. Zum Segen sein – den anderen gut sein, Gutes zusagen – ist gelebte Liebe. Das Segnen und zum Segen sein ist Berufung und Auftrag für jeden glaubenden Menschen, kein Privileg der Priester oder der Bischöfe. Gerade Eltern sind eingeladen, die Kinder zu segnen, sie mit dem elterlichen Segen ihre Wege gehen zu lassen.
Der Aaronsegen beginnt mit den Worten: Der Herr segne und behüte dich. Oder anders formuliert: Gott sei dir gut und beschütze dich. Es verbirgt sich hier ein Urwunsch: Das Leben möge gut verlaufen und gelingen. Es möge beschützt sein. Romano Guardini umschreibt es auf folgende Weise: „Der Blick Gottes veröffentlicht nicht; er hütet. Von ihm gesehen sein, heißt nicht preisgegeben werden, sondern umfangen sein, im Tiefsten berührt.“
Dann ist zweimal unterschiedlich vom Angesicht Gottes die Rede, zunächst: Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Das Angesicht Gottes droht verloren zu gehen, wenn es rund herum dunkel wird, wenn – wie es in Psalm 31 beschrieben ist – Menschen zu Frevlern werden, sich verschwören, die Ehre in Frage stellen, Lügen verbreiten, Dinge hintertreiben, zynisches Verhalten an den Tag legen, kurz die Menschlichkeit mit Füßen treten. Es setzt zu, verunsichert, kränkt. Man weiß nicht mehr, wie einem geschieht? Die Frage: Woran kann oder soll man sich halten? Es ist eine Situation, in der man leicht an der Welt und an Gott zu zweifeln beginnt.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten. In diesem Segenswort sind die Bitte und der Wunsch enthalten, der Blick nach oben bleibe dir bewahrt. Lass dich nicht vom dunklen Treiben deiner Umgebung mitreißen. Dein möglicher Wunsch nach Rache und Vergeltung vergrößere oder verstärke nicht weiter die Dunkelheit in deiner Umgebung.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Es ist ein Wort des Segens für fordernde Lebenssituationen, in denen das Dunkel von außen kommt, etwa durch Heimtücke, Verrat, Verfolgung, Anfeindungen oder kaum lösbarer Konflikte. Dieses Angesicht Gottes leuchtet uns im Wort Gottes auf. Es leuchtet uns im gekreuzigten Christus auf. Es leuchtet uns auch auf in den Armen und Ärmsten dieser Welt.
Ein zweites Mal wird auf das Angesicht verwiesen: Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden. Jeder Mensch hat auch seine Schuldgeschichte, beziehungsweise weiß um Unzulänglichkeiten, Fehler und Versagen. Es nagt am Selbstwert. Es gibt immer die Gefahr der Resignation, der Entmutigung bis hin zu einem selbstzerstörerischen Verhalten.
Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden. Lasse dir verzeihen und verzeihe dir auch selbst. Du musst niemanden Gott sein und sei dir auch nicht selbst ein Gott. Der Herr wende sein Angesicht dir zu. Es ist ein Wort gegen den zerstörerischen Perfektionismus, gegen die eigene Überforderung und den Machbarkeitswahn.
Im Angesichte Gottes darfst du Mensch sein. Als Mensch bist du Ebenbild und Abbild Gottes. Im Angesichte Gottes darfst du dich in all deinen Schwächen als geliebt und gerettet begreifen.
Das Angesicht Gottes leuchtet auch auf in einer zum Gottesdienst versammelten Gemeinde. In den Mitfeiernden zeigt sich sein Antlitz und wir sind gerufen einander zum Segen zu sein. Dieses einander zum Segen sein wirkt im geteilten Glauben, im Feiern des einen Geistes, im einander Mut machen, in den zur Verfügung gestellten Charismen. Einander zum Segen sein geschieht auch in der geschwisterlichen Zurechtweisung, im gemeinsamen Ringen um den Glauben, im sich gegenseitig schützen.
Das Angesicht Gottes leuchtet in jedem Menschen auf. Begegne jedem Menschen so, dass sie oder er dir zum Segen werden kann. Wir ahnen, dass das sehr fordernd, wenn nicht sogar überfordernd werden kann. Diesen letzten und tiefsten Segen, der die Gräben und Untiefen überbrückt, können und müssen wir nicht machen. Wir können uns dafür nur offenhalten. Der Segen, der von Gott ausgeht, wird es einmal vollbringen. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Numeri anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde und Galaxien anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Lukas anhören möchten: