Johannes – Mann der Wüste 1. Lesung: Jes 49,1-6| 2. Lesung: Apg 13,16.22-26| Evangelium: Lk 1,57-66.80
Die Kirche feiert nicht viele Geburtstage. Sie feiert sie von Jesus, Maria und eben von Johannes dem Täufer. Es deutet an, dass mit seiner Geburt etwas Entscheidendes beginnt, dass er zum Verständnis Jesu einen wichtigen Beitrag leistet.
Die Kirche vernachlässigt die Propheten. Von jenen des I. Testamentes wird keiner gefeiert. Es ist einzig Johannes d. Täufer den wir feiern. Dabei gilt, wie Paulus im Epheserbrief schreibt, dass die Kirche auf dem Fundament der Apostel und Propheten gegründet ist. Der prophetische Dienst wird in der Kirche vernachlässigt, wobei er in der frühen Kirche einer der vielen selbstverständlichen Dienste war. Wir denken die Kirche vor allem von den Aposteln und in der Folge von den Bischöfen her. Es gibt diese einseitige Überbetonung des Apostolischen, ja von der Tendenz her wird der prophetische Dienst von den „apostolischen“ Kräften niedergehalten, wenn nicht sogar teilweise unterbunden. Ich denke hier an die Befreiungstheologie in Südamerika oder an die Untergrundkirche in Tschechien und der Slowakei. Die Folge davon ist, dass man sich als Glaubensgemeinschaft (Bischöfe, Priester …) zu sehr mit den Mächtigen arrangiert, die Zuwendung Gottes zu den in Elend und Not Lebenden kaum zur Sprache kommt. Es erlaubt vermeintlich christlichen Parteien ohne größere Einwände seitens der Kirche etwa die Mindestsicherung zu kürzen, wovon nicht zuletzt gerade Alleinerziehende, sowieso schon von prekären Lebenssituationen wie Krankheiten, ältere Arbeitslose … betroffen sind. Es erlaubt vermeintlich christlichen Parteien in reichen Ländern eine Migrationspolitik zu betreiben, die an Menschenverachtung grenzt. Prophetischer Dienst heißt die Stimme zu erheben für jene, die sich selbst nicht wehren können, jene Wahrheiten ans Licht zu bringen, die das Dunkel sucht. Johannes der Täufer ist ein Beispiel dafür. Er wurde wegen der Kritik am König Herodes zunächst eingesperrt und dann ermordet. Wir erinnern uns heute an ihn. Wir feiern ihn, weil sein Dienst ein wichtiger war und ist.
Wir feiern die Geburt Johannes des Täufers. Der Evangelist Lukas schildert uns, dass seine Geburt von besonderen Umständen begleitet war. Zacharias, der Vater war während der gesamten Schwangerschaft verstummt. Man möge sich das vorstellen. Ein Mann, der während der gesamten Schwangerschaft kein Wort redet. Es wird nicht näher beschrieben: War es Verbitterung? War es so unverständlich überraschend? War es eine Überforderung für das alte Paar – jetzt doch bitte nicht mehr? Wurden andere Pläne völlig durchkreuzt? Es bleibt offen, allein es hat dem Zacharias die Stimme verschlagen.
8 Tage nach der Geburt kommt es zur Beschneidung und Namensgebung. Die Verwandtschaft schlägt den Namen des Vaters Zacharias vor. Doch es kommt zu Einwänden. Johannes soll der Name sein. Worauf die Verwandten meinen: Es gibt doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt. Johannes heißt zu Deutsch: „Gott ist gnädig“. Ein Name ist im Hebräischen Programm, Lebensprogramm. Der Einwand der Verwandtschaft will also heißen: Die Verwandtschaft hat Gott ihnen gegenüber nie als gnädig erlebt.
Wir sind da an Familien erinnert, die von Schicksal sehr getroffen sein können, bei denen es den Anschein hat, ein Unglück folgt dem anderen, die in einem Lebensgefühl stehen, wir sind von Gott Bestrafte. Die Geburt dieses Kindes ist für sie eine neue Weise der Begegnung mit Gott: Sie erleben IHN als Einen, der ihnen gnädig ist. Das Evangelium sagt, dass es ein langer Lernprozess war. Es hat mehr als eine Schwangerschaft gebraucht. Es braucht manchmal viel Zeit und außergewöhnliche Erfahrungen, die Gott in einem neuen Licht erscheinen lassen.
Von Johannes werden noch zwei Aspekte angeführt, die wertvolle Hinweise für sein prophetisches Wirken sind: Er (das Kind Johannes) wuchs heran und sein Geist wurde stark. Der Evangelist schildert Johannes als einen Heranwachsenden, der sich zu einer starken Persönlichkeit entwickelt, der ein eigenständiges, vielleicht auch eigenwilliges Denken pflegt, der nicht die Eigenheit eines Mitläufers hat. Sein Geist wurde stark. Er hat nicht einfach das gedacht oder getan, was ihm von anderen, von Eltern, Rabbis u.a. vorgegeben wurde. Bei Jesus heißt es: Er wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen. Wir dürfen entdecken, dass der Evangelist Lukas unterschiedliche Charakter zeichnet.
Ein anderer Aspekt: Johannes lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er den Auftrag erhielt, in Israel aufzutreten. Die Persönlichkeit des Johannes bildet sich nicht im religiösen Zentrum Jerusalem heraus, er ist auch nicht wie sein Vater ein Tempeldiener mit vielen Privilegien, sondern er wird von den Erfahrungen der Wüste geformt. Für den biblischen Menschen schwingt mit, er orientiert sich in seinem Glauben und Selbstverständnis an der 40-jährigen Wüstenwanderung seines Volkes Israel.
Heute würden wir sagen, er ist aus einem verbürgerlichten Glauben ausgebrochen, einem Glauben, der von einem Servicedenken und Erfüllen von Wünschen geprägt ist. Er lernt Gott in der Kargheit kennen. Er ist vertraut mit Einsamkeit und Stille, mit Hitze, kalte Nächte, Durst und Hunger. Er weiß darum, wir sind nicht im gelobten Land. Wir sind dahin auf dem Weg. Er vertraut einem Gott, der in der Kargheit für ihn und sein Volk Sorge tragen wird. Er vertraut, dass er in der Kargheit des Lebens von Gott beschenkt wird.
Johannes sucht Gott in der Wüste und bildet da seine Persönlichkeit. Es ist nicht der Tempel, es sind nicht die Priester, es sind nicht die Opfer, die damals für den Glauben unerlässlich schienen. Der Glaube des Propheten Johannes des Täufers hat die Wurzeln in der Wüste, in den alten tragenden Erfahrungen und Geschichten Israels, die es in der 40-jährigen Wüstenwanderung gemacht hat. Will die Kirche prophetisch sein, ist sie eingeladen von dem zu lernen, den wir heute feiern.