Gelobtes Land 1. Lesung: Dt 4,32-34.39-40 | 2. Lesung: Rom 8,14-17 | Evangelium: Mt 28,16-20
Es wäre vermessen, den dreifaltigen Gott in seiner Tiefe und Weite erklären oder beschreiben zu wollen. Meines Erachtens wäre gerade das Begreifen wollen und damit das Verfügen wollen über Gott, das uns einen lebendigen Glauben, der uns eine wirkliche Quelle des Lebens ist, versperren. Der Glaube an einen dreifaltigen oder dreieinigen Gott bedeutet, Gott offenbart sich in und durch Beziehung(en). Er lebt und liebt in Beziehung. Er schafft Beziehung(en). Wir wissen, wie Menschen unter Einsamkeit leiden (können). Manche so sehr, dass die Freude am Leben verloren geht. Das ist eine göttliche Not. Das erste Wort, das unser Gott in der Bibel spricht, lautet: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist (bleibt).“ (Gen 2,18) Und wir wissen, die wichtigsten Dinge des Lebens, sind auf Beziehung(en), auf ein Miteinander, auf Gemeinschaft angewiesen: Liebe, Vertrauen, Freundschaft, Dankbarkeit, Versöhnung, auch Kinder … gibt es nur in und durch lebendige Beziehungen. Der Glaube an den dreieinigen Gott, ist der Glaube, dass wir Gott in den Beziehungen erfahren, dass Göttliches in unseren Beziehungen offenbar wird, wir in unseren Beziehungen am Göttlichen teilhaben.
Es ist nur konsequent, wenn Papst Paul VI. in der Enzyklika „Evangelii nuntiandi“ festhält, Beziehung schaffen ist Verkündigung des Evangeliums. Und Beziehung schaffen steht für ihn auf der gleichen Ebene wie: beten, das Wort Gottes lesen oder hören, oder einen Dienst in Liebe tun. Der Glaube an den dreieinigen Gott ist das Bekenntnis, wir wollen es nicht dulden, dass Menschen allein bleiben, nicht als Mensch und Person, schon gar nicht in einer Not. Wir wollen ebenso keine beziehungsfeindliche Kultur dulden. Stress, Druck, Not … wirkt zerstörerisch auf Beziehungen. Die gelebte Kultur des Sabbats, der Unterbrechung, des Sonntags durchbricht diese antigöttliche, ausbeuterische, zerstörerische Lebenshaltung.
Ja, den dreieinigen Gott können wir nicht fassen; wir sollen ihn vermutlich auch nicht zu fassen versuchen, sondern es gilt ihn zu meditieren als Grund und Quelle für gelingende, beglückende Beziehung(en). Er offenbart sich in den Beziehungen und führt uns zu Beziehungen hin, die uns reich beschenken.
Die biblischen Texte dieses Sonntags erschließen uns dazu den einen oder anderen Gedanken: Die Lesung ist dem Vierten Kapitel des Buches Deuteronomium entnommen. Es handelt sich um folgende Situation: Israel ist am Ende der Wüstenwanderung angekommen und steht unmittelbar vor dem Einzug ins gelobte Land. Man müsste meinen, Freude kommt auf. Es war aber nicht so. Es gibt die Zweifel, schaffen wir das? Es gibt die Angst vor der letzten Überquerung des Jordan? Es gibt Zweifel vor dem Leben in Freiheit?
Menschen leben im gelobten Land, wenn sie in glückende, gelingende Beziehungen eingebettet sind, wenn Unterdrückung und Fremdbestimmtsein überwunden sind oder wir können auch sagen, wenn wir als Brüder und Schwestern in Frieden leben.
Fragen kommen auf: Können wir mit einem solch gelobten Land rechnen? Kommen wir soweit? Das Eingehen von Beziehungen ist immer mit Wagnis verbunden. Manche fragen: Ist das überhaupt möglich? Wie ist es möglich?
Es ist Mose, der diesen Zweifeln damals entgegentritt und erklärt: Forsche einmal in früheren Zeiten nach; … forsche nach von einem Ende des Himmels bis zum anderen Ende. Mit anderen Worten: Hole weit aus, gehe weit in die Geschichte zurück bis zu den Anfängen, und lerne die Absicht Gottes kennen. Dein Leben allein kann die Absicht Gottes nicht fassen. Es ist ein Leidwesen, das immer wieder Menschen sehr schnell oberflächlich, platt und vereinfachend über Gott reden. Ein solches Gerede tut der Glaubwürdigkeit keinen guten Dienst.
Mose, der eine tiefe Gotteserfahrung hat, weder erklärt noch beschreibt er dem Volk Gott, sondern er trägt ihnen auf, Gottes Spuren in der Geschichte zu suchen und zu finden. Vielleicht hat die Kirche in den letzten Jahrzehnten zu viel Gott erklärt und definiert und zu wenig den Menschen geholfen, Gott in der Geschichte zu finden, in der seine Beziehung zum Tragen gekommen ist.
Mose erinnert sein Volk daran, dass Gott sich ein Volk geschaffen hat als Folge seiner Liebe zu den Vätern. (V 37) Und da dürfen wir nicht zu eng denken, das Volk, das sich Gott erwählt hat, schließt keine Menschen aus, im Gegenteil sein Volk ist ein Volk aus Völkern. Abraham ist der Stammvater vieler Völker. Wir sind Frucht einer Liebe und verdanken uns dieser Liebe. Er hat das Volk gesammelt unter Prüfungen, unter Zeichen, Wundern und Krieg mit hocherhobenem Arm. Es ist beinahe ein Reflex bei manchen, wenn eine Katastrophe passiert, die Frage: Wo ist Gott? Die Bibel erinnert immer wieder daran, dass Katastrophen Gott auf den Plan rufen. Als Israel in Ägypten um die Zukunft bangt, ruft er den Mose, um das Volk aus Ägypten, aus der Unterdrückung und Demütigung heraus zu führen. Wenn dem Volk Gefahr droht, ruft er Propheten, die warnen, die Umkehr und Umdenken einfordern. Oft werden sie nicht gehört. Es kommt in der Folge zu Katastrophen. Die Geschichte erzählt, dass Gott trotz allem dann einen neuen Weg sucht.
Es gibt heute auch die Propheten, warnende Stimmen, die Gerechtigkeit einfordern als Dienst am zukünftigen Frieden. Es gibt die warnenden Stimmen, die das Klima betreffen und dringend ein Umdenken fordern. Es sind die Propheten unserer Tage. Wir werden nicht sagen können, wir haben es nicht gewusst.
Ja, wir sind nicht im gelobten Land. Es gibt Zweifel, große Zweifel. Was hindert uns heute in das gelobte Land – in ein verantwortbares Leben – hinein zu gehen? Was hindert uns in jenes Land zu gehen, das uns Gott führen will?
Es gibt diese Götter und Götzen, die sehr schrill und laut schreien und Versprechungen fürs Leben parat haben und erklären, es geht nicht ohne Ausbeutung, Ungerechtigkeit. Sie machen Angst, der Schritt ins gelobte Land könnte zu viele Verluste bringen.
Mose verweist auf Gott, der da ist, der für dich und für jede und jeden da ist, der dich ins Leben geliebt hat und in die Vollendung lieben wird. Achte sein Gebot, seine Gebote: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Sie ebnen den Weg ins gelobte Land.