Der Gedanke vom Reich Gottes 1. Lesung: Gen 3,9-15|2. Lesung: 2 Kor 4,13-5,1|Evangelium: Mk 3,20-35
Der Evangelist Markus schildert uns bereits am Beginn des Evangeliums, dass einerseits Jesus viele Menschen anzieht. Er und seine Jünger fanden nicht einmal mehr Zeit und Raum für das Essen, und andererseits sehr rasch sich großer Widerstand aufbaut. Dem heutigen Evangelium geht voraus, dass die Pharisäer und die Anhänger des Herodes bereits beschlossen haben, Jesus umzubringen (Mk 3,6). Heute kommen der Widerstand der Familie und der der Pharisäer dazu. Was sind die Beweggründe des Widerstandes?
Das Auftreten Jesu fällt in eine gesellschaftlich und politisch hoch explosive Zeit. Die Armut ist groß. Über 90 Prozent leben am Existenzminimum. Der Druck der römischen Besatzungsmacht auf das Volk war enorm. Man wusste nie, ob eine Revolte ausbricht. Weil ein Aufstand ausbrechen hätte können, kam z.B. Pilatus zum jüdischen Paschafest nach Jerusalem. Normalerweise residierte er in Cäsaräa am Meer. Er wollte selbst das Heer befehligen können. Pilatus wurde schließlich von den Römern selbst abgesetzt, weil er einfach zu brutal war.
Auf diesem Hintergrund ist das Auftreten Jesu zu sehen. Er kommt mit der Botschaft: Die Zeit ist erfüllt. Die Zeit ist Gott-voll. Kehrt um – denkt um –, das Reich Gottes ist nahe. Glaubt dem Evangelium (Mk 1,15).
Er beginnt zu leben, was er mit Reich Gottes verbindet: Er heilt einen Gelähmten. Er heilt einen Aussätzigen; berührt ihn entgegen dem religiösen Verbot. Er beruft und sammelt Jünger um sich. Es ist alles andere als eine religiös homogene Gruppe. Da sind unter anderem dabei: Fischer, Zöllner und sogar ein Zelot, nämlich Judas. Wir würden heute sagen ein Terrorist. Zu diesem Kreis zählen ebenso Frauen, die die Gruppe unterstützen. Der Jüngerkreis – eine Gruppe von Gegensätzen. Es ist Bild für das Verständnis von Reich Gottes. Das Reich Gottes hält die Gegensätze aus. Es muss nicht ganz verwundern, dass Jesus mit dieser Gruppe lange und intensive Gespräche zu führen hatte.
Jesus beginnt zu leben, was er mit Reich Gottes verbindet: Er hat keine Berührungsängste. Er isst mit Zöllner und Sündern und fügt hinzu: Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder (Mk 2,15-17). Er hat ein anderes Verständnis vom Fasten. Gestattet es den Jüngern am Sabbat Ähren abzureißen, weil sie Hunger haben (Mk 2,18-22). Er heilt am Sabbat einen Mann mit einer verdorrten Hand und dies in einer Synagoge. Er macht diese Heilung nicht verdeckt, draußen oder in einem dunklen Winkel, wo sie unbemerkt geblieben wären. Er stellt den Mann in die Mitte. Er provoziert. Sein Thema: Geht es um den Menschen oder um das Gesetz. Ist der Sabbat, der Gottesdienst für den Menschen da? Oder der Mensch für den Sabbat?
Das Ärgernis bei den Pharisäern war groß, denn sie waren der Überzeugung, sollten alle Juden das Sabbatgebot halten, dann würde der Messias kommen. Er würde mit ihnen kämpfen und das Reich Davids wiederaufrichten. Das scheinbare Verletzen des Sabbatgebotes löst eine tiefe Feindschaft der Pharisäer mit Jesus aus. Es folgt der Beschluss, Jesus umzubringen. Die Anhänger des Herodes tragen den Beschluss mit, weil sie Unruhen befürchten. Die Lehre Jesu verändert die Gesellschaft, die Erwartungen und Rechte der Menschen. Diese möglichen Unruhen könnten dazu führen, dass die Römer Herodes als König absetzen und sie ihre Privilegien verlieren.
Dann kommen auch noch die Verwandten und wollen Jesus zurückholen. Sie sagen: Er ist von Sinnen. Er spinnt. Er ist ihnen ein Ärgernis. Man kann davon ausgehen, dass sie zum Zielpunkt von Fragen und Vorwürfen wurden.
Die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabgekommen sind und kontrollieren, ob die Schrift richtig gedeutet wird, werfen Jeus vor, er sei besessen und treibe mit der Kraft des Beelzebul die Dämonen aus.
Es sei nur nebenbei erwähnt, die Methode, die die Verwandten und die Schriftgelehrten anwenden, ist das Abwerten der Person. Er ist ein Spinner. Er ist ein Besessener. Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die schwer mit Argumenten zu widerlegen sind.
Zwei Gedanken, die ich mitgeben möchte:
Ein erster: Der Gedanke vom Reich Gottes, wie Jesus ihn versteht und lehrt. Jesus hat nochmals alles andere als fromme Menschen als Jünger und Jüngerinnen um sich gesammelt, sondern er hat die unterschiedlichsten Gegensätze zusammengeführt. Die Gegensätze aushalten, sie zusammenführen, sie integrieren wird der Weg der Kirche sein, will sie lebendig bleiben. Es braucht dazu viel Vertrauen in das Wirken des Heiligen Geistes. Es braucht Geduld, viele Gespräche und es wird immer ein Ringen sein.
Was dem Gedanken vom Reich Gottes widerspricht ist, wenn wir von Gläubig oder Ungläubig reden. Es ist nicht unsere Aufgabe, solches zu bewerten. Der Glaube eines Menschen kennt nur Gott.
Ein zweiter: Christen sind einander Bruder und Schwester. Es gibt Exegeten, die sagen: Jesus hatte ein gestörtes Verhältnis zu seiner Familie. Gerade im Markusevangelium wird es konfliktreich gezeichnet. Zumindest können wir sagen, dass Jesus die Blutsbande sehr relativiert. Wer den Willen des Vaters tut, ist mir Mutter, Schwester oder Bruder. Es war damals äußerst provokant und ist es heute noch: Im Mitmenschen die Schwester oder den Bruder zu sehen. Geschwister sucht man sich nicht aus. Man muss sich auch nicht Freundin oder Freund sein. Aber: Man trägt große Verantwortung füreinander. Man sucht einen gangbaren Weg. Viele der Sakramente und Verabschiedungen werden derzeit als Familienfeiern begangen. Für Christen geht es um mehr.
Wenn Sie den Text der 1. Lesung aus dem Buch Génesis anhören möchten:
Wenn Sie den Text der 2. Lesung aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth anhören möchten:
Wenn Sie den Text aus dem heiligen Evangelium nach Markus anhören möchten: